Die Heilpflanzenkunde, auch Phytotherapie genannt, ist die Wissenschaft, die sich mit der Anwendung von Pflanzen zur Behandlung von Krankheiten und Beschwerden befasst. Die Anwendung von Pflanzen zur Heilung ist eine sehr alte Praxis, die von vielen verschiedenen Kulturen und Traditionen auf der ganzen Welt verwendet wurde. In der Antike beispielsweise wurden Pflanzen von den Ägyptern, den Griechen und den Römern zur Behandlung von verschiedenen Krankheiten verwendet. Die Heilpflanzenkunde hat im Laufe der Geschichte immer wieder neue Entwicklungen und Fortschritte erlebt, und heute werden Pflanzen in der modernen Medizin auf vielfältige Weise eingesetzt.
Die Entdeckung von Heilpflanzen ist ein sehr langer und komplexer Prozess, der im Laufe der Geschichte immer wieder stattgefunden hat. Im Allgemeinen wurden Heilpflanzen auf verschiedene Weise entdeckt, einschließlich durch Beobachtungen von Tieren, die bestimmte Pflanzen fraßen, um ihre Beschwerden zu lindern, durch Experimente und Tests, die von Menschen durchgeführt wurden, und durch die Überlieferung von Wissen und Erfahrungen von Generation zu Generation. In der Antike beispielsweise haben die Ärzte und Heiler der verschiedenen Kulturen durch Beobachtungen und Experimente viele Heilpflanzen entdeckt und ihre Wirkungen studiert. Heute werden Heilpflanzen oft durch wissenschaftliche Studien und klinische Tests entdeckt und untersucht.
Heilkunde und Historie – Die Antike, weise Frauen und der Hexenwahn. Volksmedizin: Kräuterweiber, so hießen sie, wurden später zu „Hexen“ ernannt und waren doch die Vorfahren der heutigen Mediziner
Bereits steinzeitliche Funde deuten auf die Verwendung von Pflanzen in der Heilkunde hin. Altbabylonische Keilschrifttafeln zeugen davon genauso, wie ägyptischer Papyrus (16. Jahrhundert v. Chr.), Funde aus Südasien und Mesopotamien, Nachlässe der Araber und Römer.
In Griechenland verfasste der Arzt Hippokrates (460 – 370 v. Chr.) den „Corpus hippocraticum“, dessen Name durch den hippokratischen Eid sprichwörtlich für die ärztliche Ethik geworden ist.
Die Entwicklung in Nordeuropa war unabhängig von den Mönchen
Ohne Jakob Grimm und andere Romantiker müsste man somit fast annehmen, dass die Bevölkerung Nordeuropas in dunkelster Unwissenheit gefangen war, bis Zisterzienser und Kartäuser kamen und sie die Heilkunst lehrten, Benedikt von Nursia (530) in Süditalien das Mutterkloster des Benediktinerordens gründete und seine Anweisungen zur Entstehung der Klosterheilkunde führten.
Ein Irrtum, denn Wesentliches unserer Heilkunde entstammt dem nordischen Heidentum, dem Wissen der Kelten und wurde von einfachen, scheinbar ungelehrten Menschen bis in die Neuzeit getragen: Volksmedizin, nicht unbedingt klinisch nachgewiesen, wohl aber über viele Jahrhunderte erprobt (Vgl. Tacitus, „Germania 8“).
Die Niederschriften des überlieferten Wissens durch die Mönche verhinderten, dass von jener alten Erfahrungsmedizin noch mehr verloren ging, als tatsächlich auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Zunehmend geriet der Klostergarten zum Herzstück der Kräuterheilkunde. Sowohl ein Gegensatz zu der Vorvergangenheit, zugleich ein erster, oder weiterer Schritt zur heutigen Naturheilkunde.
Volksmedizin der „heidnischen Völker“
Bereits in der grauen Vorzeit unserer Ahnen wurden weise Frauen und Heilerinnen als Wurzelkundige verehrt. Wurz war das heilkräftige Pflanzenwesen, der Wurzelkundige also nicht nur ein Botaniker, der die Pflanzen erkennt, sondern auch ein Okkultist (occultus – verborgen, versteckt), der hinter die Fassade zu blicken vermag, über das Können verfügt, das verborgene Wesen der Pflanzen zu nutzen. So sind die Anfänge der Kräuterkunde in jenen Zeiten zu finden, als es noch üblich war, die Pflanzenseelen zu befragen, vieles Wissen instinktiv zum Menschen kam. Kräuterkundig bedeutet, die verborgenen Eigenschaften der Pflanzen zu erkennen. Dafür standen die Weisen Frauen, Kräuterweiber und Heilerinnen.
„Weise Frauen“, Heilerinnen und Kräuterweiber versus „Hexentum“
Besonders hochgeachtete Heilerinnen und Seherinnen waren die Völvas, Walpurgas oder Veledas. Tacitus schreibt voller Verwunderung: „Sie (die Germanen) meinen sogar, dass es bei den Weibern etwas Heiliges und Prophetisches gibt, und die verschmähen weder ihre Ratschläge noch vernachlässigen sie die Antworten (Tacitus, Germania 8).
Als Kundige waren auch Galsterer unterwegs, die mit beschwörenden Gesängen ihre vorausschauenden Fähigkeiten forcierten, Heilkräuter besangen. Lachsnerinnen waren die germanischen Heilerinnen. Lachsen heißt auch zaubern oder heilen. Diese Frauen sangen Zauberlieder, berührten die Stellen wo das Übel saß und trugen Kräuter auf, die wir noch heute in der wissenschaftlichen Phytotherapie finden.
Auch in der Bauerngesellschaft waren Frauen Heilende
Auch in den später bäuerlichen Gesellschaften war es das Weibervolk, welches sich mit Pflanzen und Kräutern beschäftigte. Die Mädchen halfen den Müttern und Großmüttern, lernten durch das tägliche Erleben, wo zu welcher Jahreszeit die besten Wurzeln wachsen, welche Heilkraft in ihnen ruht. Kräuterwissen wurde derart weitergegeben. Besonders begabte Frauen wurden als femme sage, witch-woman oder weise Frau verehrt. Die Frau als Hüterin der Geheimnisse um das Wohl des Menschen, um seine Zeugungskraft und Fruchtbarkeit hatte in der abendländischen Kultur somit ihren festen Platz.
Predigen = Heilen
Lange Zeit waren Priesterinnen stets auch Heilerinnen, das geheime botanische Wissen um Kräuter, Massagen und Tinkturen und deren Heil- und Giftwirkung zeichnete die weisen Frauen aus. Sie beherrschten im Mittelalter das Gesundheitswesen, hatten eine sehr enge Bindung an Garten, Natur, die Kräfte des Mondes. Die meisten heilkundigen Frauen waren Pflegerin, Ärztin, Ratgeberin und Hebamme in einer Person. Sie wurden bei Krankheiten und Entbindungen gerufen, kannten sie zum Teil bis zu einhundert verschiedene Mittel, beherrschten die Geburtenkontrolle, die Geheimnisse der Geburtshilfe und die natürlichen Mittel zur Abtreibung, Schwangerschaftsverhütung. Auch der Kaiserschnitt fand bereits Anwendung. Das Heilwissen bestand aus der überlieferten Volksmedizin, die durch Erfahrung und Experiment weiterentwickelt wurde, dem natürlichen Umgang mit der Natur. Dieses Wissen umfasste Körperbau, Kräuter und Drogen, Herstellung von Arzneien und schließlich die Magie.
Obwohl der Anbau von Nutz- und Heilpflanzen auch später in den Klöstern weit verbreitet war, vermochten die Kleriker nicht mit der Kunst der Heilerinnen zu konkurrieren. Besonders die Betreuung von Schwangeren lag aus einsichtigen Gründen in den Händen der heilkundigen Frauen. Sie gaben Schwangeren wertvolle Ratschläge, kannten die am wenigsten schmerzhafte Gebärstellung, behandelten die werdenden Mütter mit wehenfördernden Tinkturen, halfen mit krampflösenden Tees die Schmerzen zu lindern.
Damit jedoch zogen sie sich vielerorts den Zorn des Klerus zu. Schon die Kirchenväter postulierten, dass eine Geburt unter Schmerzen vonstatten gehen solle. Schnell wurde den Hebammen ihre Kunst als Blasphemie ausgelegt.
Die weisen Frauen setzten ihre geheimen Kräfte zum Wohle ihrer Mitmenschen ein und wurden als Mittlerinnen zwischen Natur und Kultur gleichermaßen gebraucht und verehrt. Gewiss hatten ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten, die ihnen Macht verschafften, für das allgemeine Empfinden schon immer etwas Unheimliches an sich und das Volk brachte ihnen Bewunderung und Respekt zugleich entgegen: Wer um die guten Kräuter wusste – der wusste gewiss auch um die schlechten.
Von einer systematischen Verfolgung der heil- und zauberkundigen Frauen bis zum 15. Jahrhundert konnte bis dahin allerdings noch keine Rede sein, der Hexenwahn kam mit der sogenannten Aufklärung.