Er war für den Nobelpreis nominiert, erfand im Ersten Weltkrieg den Stahlhelm und begründete erstmals eine Sporthochschule – Der Wissenschaftler August Bier
Im ostholsteinischen Malente gibt es eine August-Bier-Klinik. Aber wer war August Bier? Ein Wissenschaftler, der in der Medizin als Begründer der Spinalanästhesie, in der Militärtechnik als Erfinder des deutschen Stahlhelms bekannt geworden ist. Und zu Schleswig-Holstein hat er insofern Beziehungen, als er zu der Zeit, als er die neue Betäubungsmethode entwickelte, Oberarzt an der Chirurgischen Universitätsklinik war.
August Karl Gustav Bier wurde am 24. November 1861 in Helsa im Kaufunger Wald als Sohn eines Landvermessers geboren. Bier studierte in Berlin und Leipzig Medizin und kam 1886 des Meeres halber nach Kiel, wo er 1886 promovierte. Unter dem Eindruck Friedrich von Esmarchs wandte sich Bier der Chirurgie zu. Nach kurzzeitiger praktischer Tätigkeit ging der junge Arzt 1888 an die Chirurgische Universitätsklinik, an der er 1894 zum Außerordentlichen Professor ernannt wurde. 1899 wurde Bier nach Greifswald berufen, ging von dort nach Bonn, bis er 1907 Nachfolger des berühmten Ernst von Bergmann an der Charité in Berlin wurde, wo er bis zu seiner Emeritierung 1932 wirkte.
Ein begnadeter Chirurg
In Berlin erwarb sich Bier den Ruf eines begnadeten Chirurgen, der zahlreiche Neuerungen einführte, die noch heute seinen Namen tragen. Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde er vielfach ausgezeichnet und 1925 sogar für den Medizin-Nobelpreis nominiert. 1937 wurde er zusammen mit seinem Kollegen Sauerbruch von der NS-Diktatur mit dem „Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaften“ ausgezeichnet.
Bier war ein Anhänger der Homöopathie und setzte sich dafür ein, dass die damals noch weit verbreitete Knochen- und Gelenkstuberkulose von Kindern mit Sonne, frischer Luft und viel Bewegung bekämpft werde. Damit setzte er sich in Gegensatz zur Schulmedizin. Er schwor auf Heilgymnastik und damit auf Leibesübungen und Sport. Für ihn war der Militärdienst “die großartigste Köperschule der Welt“. Er beklagte den Wegfall der allgemeinen Wehrpflicht nach dem Ersten Weltkrieg und wurde zum Mitbegründer der „Deutschen Hochschule für Leibesübungen“, deren erster Rektor er 1932 wurde. Es war die erste Sporthochschule der Welt. Sie bestand allerdings nur bis 1936, weil das Ausbildungskonzept nicht mit der NS-Ideologie in Einklang stand.
Arzt der Prominenten
Bier war Prominentenarzt. Zu seinen Patienten zählte Kaiser Wilhelm II, der ihm sogar den Adelstitel anbot. Allerdings hatte er einiges Pech mit berühmten Kranken, die ihm praktisch unter den Händen weg starben: Erst der Industrielle Fritz Stinnes – für dessen Behandlung Bier 150 000 Mark, was heute dem Wert einer Million Euro entspricht, liquidierte, ein Jahr darauf Reichspräsident Friedrich Ebert. In beiden Fällen war den Patienten nicht mehr zu helfen. Nach dem Tode Eberts sah sich Bier, der selbst kein Demokrat war, schweren Angriffe ausgesetzt.
Nach seinem Ruhestand wandte sich Bier der Ökologie und der Philosophie zu. Auf seinem Landgut in Sauen in der Mark Brandenburg baute er einen Kiefernwald in einen Mischwald um. Eine forstwirtschaftliche Pioniertat, an die die 1992 gegründete „Stiftung August Bier für Ökologie und Medizin“ erinnert. Sie bewirtschaftet heute diesen Wald im Sinne ihres Namenspatrons. Dieser gründete 1936 zur Verwunderung seiner Standesgenossen eine „Studiengemeinschaft für tierärztliche Homöopathie“ – womit er seiner Zeit weit voraus war. Heute wissen wir, dass man mit Bachblüten Pferde und Hunde kurieren kann – allerdings nicht, wie.
Erfinder des Stahlhelms
Biers für die breite Öffentlichkeit bemerkenswerteste Erfindung aber war die des Stahlhelms. Hintergrund waren seine Eindrücke als Obergeneralarzt an der Westfront im Ersten Weltkrieg. Den neuartigen Helm aufgrund antiker Vorbilder entwickelte Bier zusammen mit dem Ingenieur Friedrich Schwert von der Technischen Hochschule Hannover. 1916 wurde der neue Kopfschutz im deutschen Heer eingeführt.
August Bier, der in einer Vorlesung gesagt haben soll, es gebe immer zwei Seiten, eine wissenschaftliche und eine vernünftige, starb am 12. März 1949 in Sauen an den Folgen einer Lungenentzündung. Seine letzten Lebensjahre wurden ihm durch fast völlige Erblindung verleidet. Sein Grab fand er in seinem Wald.