Vom Beratungs- zum Mitbestimmungsorgan in der Europäischen Union. Seit seiner Gründung im Jahr 1952 hat das Europäische Parlament kontinuierlich an Macht gewonnen. Kontrolle und Mitbestimmung bei Gesetzen sind die wichtigsten Aufgaben.
Bei seiner Gründung vor mehr als 50 Jahren als Gemeinsame Versammlung hatte das Europäische Parlament ausschließlich beratende Funktion. Seit der ersten Direktwahl der Europäischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament hat es allerdings viel an Macht gewonnen. Heute ist die Bürgerkammer der Europäischen Union in vielen Bereichen gleichberechtigt mit dem Europäischen Rat für die Gesetzgebung zuständig und nimmt gleichzeitig Haushaltsbefugnisse und Kontrollbefugnisse war. Neben den Aufgaben hat sich auch die Zusammensetzung und Form des in Brüssel und Straßburg tagenden Hauses gewandelt.
Gemeinsame Versammlung
Mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) – der Vorgängerorganisation der Europäischen Union – wird auch die Gemeinsame Versammlung ins Leben gerufen, die sich aus 78 Abgeordneten der Parlamente der Mitgliedsländer zusammensetzte. Obwohl der Versammlung ausschließlich beratende Funktion zukommt, wird bereits in den ersten Verträgen der Auftrag erteilt, Modalitäten für eine Direktwahl zu finden. Ein Entwurf dazu wird allerdings erst 1975 angenommen, wodurch der Weg zur ersten Direktwahl freigemacht wird, die 1979 stattfand und seitdem alle 5 Jahre abgehalten wird. Bei der ersten direkten Wahl der Abgeordneten beteiligen sich 63% aller zur Wahl aufgerufenen Personen. Diese Zahl ist bis heute bei keiner späteren Wahl übertroffen worden.
Name „Europäisches Parlament“ erst seit 1986 offiziell gültig
Den Namen „Europäisches Parlament“ nahmen die Abgeordneten erstmals 1962 förmlich in allen Gemeinschaftssprachen an, allerdings wird der Name offiziell erst mit der Unterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte im Jahr 1986 eingeführt.
Beteiligung am Haushaltsverfahren
Noch vor dieser Umbenennung konnte die Versammlung ihre Funktion als rein beratendes Gremium ablegen und beteiligte sich Schritt für Schritt immer stärker aktiv am Prozess der Europäischen Einigung. Erstmals erhielten die Abgeordneten im Jahr 1971 das Recht, sich am Haushaltsverfahren der Europäischen Gemeinschaft zu beteiligen, ohne allerdings letztendlich mitentscheiden zu dürfen. Dies änderte sich 1977, als der Gesamthaushalt am Ende von Europäischen Parlament genehmigt werden musste. Im Jahr 1979 machten die Abgeordneten von ihrem Recht, den Haushaltsplan für das kommende Jahr abzulehnen, erstmals Gebrauch.
Europäische Verträge bringen Europäischem Parlament mehr Macht
Die Einheitliche Europäische Akte aus dem Jahr 1986, die erste umfassende Änderung der Verträge, brachte dem Europäischen Parlament neben der neuen Namensgebung auch erstmals legislative Kompetenzen bei der Errichtung des Binnenmarkts und ein Zustimmungsrecht in Fragen neuer Beitritte und Assoziierungen. Durch den Vertrag von Maastricht, der 1993 in Kraft tritt, erfährt das Europäische Parlament eine entscheidende Aufwertung. Durch die erstmalige Einführung des Mitentscheidungsverfahrens wird das Parlament zur gleichberechtigten Kammer. Die Einführung des Misstrauensvotums gegenüber der EU-Kommission und die verpflichtende Zustimmung des Parlaments zu den Mitgliedern der Kommission erhöhen den Einflussfaktor auf Europäischer Ebene zusätzlich.
Rücktritt der Santer Kommission
Diese neue Macht bekommt die Europäische Kommission erstmals 1999 zu spüren. Eine vom Europäischen Parlament eingesetzt Kommission kommt zu dem Schluss, dass die Korruptionsvorwürfe gegen die Kommission unter Präsident Jacques Santer berechtigt sind, woraufhin die Kommission geschlossen zurücktritt. Im selben Jahr regelt der in Kraft getretene Vertrag von Amsterdam die Stärkung der Rolle des Parlaments bei der Einsetzung des Kommissionspräsidenten.
Mehr Einfluss auf die Gesetzgebung
Die Macht, die das Parlament in den letzten Jahren erlangt hat, zeigt sich nicht zuletzt in der Abstimmung über Software Patente. Als der Europäische Rat und die Kommission eine Vielzahl von Veränderungsvorschlägen des Europäischen Parlaments bei der Überarbeitung des Gesetzesvorschlages ignorierten, kippten sie den gesamten Vorschlag und brachten damit die Richtlinie zu Fall.
Nichtständiger CIA Ausschuss
Einen besonders guten Ruf besitzt das Europäische Parlament in Fragen der Verteidigung der Menschenrechte. So zeigen etwa die Ergebnisse des nichtständigen Ausschusses zu Fragen, die sich mit vermuteten Entführungen von europäischen Bürgern durch den US-amerikanischen Geheimdienst CIA auseinandersetzten, den starken Einsatz auf diesem Gebiet.
Vertrag von Lissabon
Der Vertrag von Lissabon wird die Bereiche in denen das Europäische Parlament bei neuen Gesetzesvorhaben Mitbestimmungsrechte hat, auf einen Großteil der Materien ausweiten. Sollte der Vertrag in Kraft treten, sind die Abgeordneten einen weiteren großen Schritt auf dem Weg von der Beratung zur Mitbestimmung vorangekommen.