Alzheimer – wie kam die Krankheit zu ihrem Namen? Jeder weiß, was mit „Alzheimer“ gemeint ist. Dieser Name steht für eine Krankheit, an der Millionen Menschen leiden. Wer aber war der Namensgeber?
Jeder hat schon mal von der tragischen „Alzheimer-Krankheit“ gehört, eine neurodegenerative Erkrankung, die am häufigsten bei Menschen über dem 65. Lebensjahr auftritt. Der Mann, der dieser Erkrankung ihren Namen gegeben hat, war Alois Alzheimer und die Benennung dieser Erkrankung nach ihm war eher Zufall.
Alois Alzheimer wurde 1864 in Markbreit in Bayern geboren. Nach dem Schulabschluss studierte er Medizin in Berlin, Aschaffenburg, Tübingen und Würzburg, wo er schließlich 1887 sein Examen machte. Im selben Jahr schrieb er seine Doktorarbeit. Anschließend erlangte er eine Anstellung in der „städtischen Heilanstalt für Irre und Epileptische“ in Frankfurt/Main, wo er seine Ausbildung in Psychiatrie und Neuropathologie absolvierte. In den kommenden Jahren lag sein Interesse in der Erforschung der Epilepsie und der senilen Demenz. Nach seiner Heirat 1894 mit Cecilia Geisenheimer, einer reichen Witwe, war er finanziell unabhängig. Auf der Suche nach einem Posten, der ihm erlaubte Forschung und klinische Praxis zu vereinen, fand er 1903 eine Anstellung als Forschungsassistent von Emil Kräplin an der psychiatrischen Klinik in München. In den folgenden Jahren kreierte er dort ein neues Labor für Gehirnforschung.
Auguste Deter – eine Schlüsselpatientin
Einige Monate nachdem Alzheimer seinen medizinischen Abschluss erlangte und seine Stelle in Frankfurt antrat, traf er am 25. September 1901 Auguste Deter. Sie war eine einundfünfzigjährige Frau, die von ihrem Ehemann in die Klinik eingeliefert wurde mit dem Vorbericht, dass sich ihr ganzes Wesen verändert hätte, dass sie launisch und eifersüchtig geworden sei. Nachdem Alzheimer sie untersucht hatte, stellte er fest, dass sie ein eingeschränktes Erinnerungsvermögen hatte und an Aphasie (Störung der Sprache), Disorientierung und psychosozialer Inkompetenz (dies war zur damaligen Zeit die Definition für Demenz) litt. Ihr Zustand verschlechterte sich graduell und sie fing an, andere kognitive Funktionen zu verlieren und halluzinierte. Aufgrund ihres Alters wurde sie mit „präseniler Dementia“ diagnostiziert. Heutzutage würde die Diagnose „frühe Alzheimer Erkrankung“ lauten. Die Patientin starb 1906 im Alter von fünfundfünfzig Jahren.
Schon Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigte sich Alzheimer mit Epilepsie. Zu den Grundlagen dieser Krankheit und der „epileptischen Verblödung“ gab es bis dahin noch keine gesicherten Erkenntnisse. Alzheimer hatte bisher in seinen histopathologischen Untersuchungen im Rahmen der Epilepsie und der Demenz Veränderungen an den Nervenzellen festgestellt, allerdings brauchte er weitere Untersuchungen und Ergebnisse, um seine Theorien zu untermauern. Dies war einer der Gründe, warum Alzheimer am Fall Auguste Deter so interessiert war.
Erste histopathologische Erkenntnisse
Als Auguste Deter starb, arbeitete Alzheimer schon in München unter Emil Kräplin. Nachdem er vom Tod der Patientin Deter hörte, untersuchte er zusammen mit zwei italienischen Gastwissenschaftlern Auguste Deters Gehirn. Sie waren sich sicher, dass es sich um ein eigenständiges Krankheitsbild handeln musste. Die gefundenen pathologischen Veränderungen im Gehirn Deters erinnerten an die Dementis senilis, die aber ihres Wissens nur bei älteren Menschen auftritt. Die Veränderungen hier gingen aber viel weiter als in vergleichbaren Fällen von siebzig – achtzigjährigen Patienten, obwohl Auguste Deter bei ihrem Tod erst sechsundfüfnzig Jahre alt war. Es musste sich also um eine präsenile Erkrankung handeln, so die Vermutung.
Erste Präsentation der Untersuchungsbefunde
Alzheimer trug diesen Fall und die Untersuchungsergebnisse 1906 auf der „Konferenz der süddeutschen Irrenärzte“ vor. Zu seiner großen Überraschung traf sein Vortrag auf Indifferenz, es kamen keine Diskussionen mit Kollegen im Publikum zustande, wie er erhofft hatte und bis jetzt gewohnt war. Alzheimer verließ irritiert die Konferenz. Erst 1907 veröffentlichte er seinen Vortrag. Andere Kollegen, Francesco Bonfiglio, Oskar Fischer und Graetano Perusini, forschten und veröffentlichten auf demselben Gebiet. Alzheimers Beschreibungen der organischen Veränderungen verbunden mit Demenz waren nicht so bahnbrechend, um als Erklärung für die Namenszuordnung herhalten zu können, da auch von anderen Kollegen beschrieben. Warum also wurde gerade Alzheimers Namen für alle Zeiten mit dieser Erkrankung verbunden?
Warum Alzheimer und nicht beispielsweise Fischer?
Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die ersten Schritte unternommen, Krankheiten, sowohl psychisch als auch physisch, zu klassifizieren. Es ist hauptsächlich Alzheimers ehemaliger Chef, Emil Kräplin, zu zuschreiben, dass die Krankheit heute Alzheimers Namen trägt. Kräplin, der als erster die verschiedenen Formen der Schizophrenie klassifizierte, schloss Alzheimers Beschreibung der Symptome von Auguste Deter und nachfolgend gefundener pathologischer Befunde in sein 1910 in der achten Ausgabe veröffentlichtes Buch „Psychiatrie“ mit ein. Hier nennt Kräplin die Erkrankung zum ersten Mal „Alzheimer’s Krankheit“.
Alzheimer hatte den Fall Auguste Deter als ein Beispiel von Demenz an einer relativ jungen Person beschrieben, hat aber nie behauptet, dieses spezielle Krankheitsbild als erster entdeckt zu haben. Er selbst, neben anderen war überrascht, dass Kräplin die Erkrankung als „Alzheimer’s-Krankheit“ bezeichnet hatte. Wie dem auch sei, der Name blieb hängen. Man kann über die Motive Kräplins nur spekulieren, aber am wahrscheinlichsten ist, dass er seinem Institut und seiner Veröffentlichung etwas mehr Gewicht geben wollte, indem er implizierte, dass Alzheimer die Pathologie der Erkrankung als erster beschrieb.
Alzheimer starb 1915, fünf Jahre nach der Veröffentlichung Kräplins. Seine letzte Lebensstation war Breslau, wo er an der Friedrich-Wilhelm-Universität 1912 die Nachfolge von Karl Bonhöfer als ordentlicher Professor antrat und Direktor der „königlich Psychiatrischen – und Nervenklinik“ wurde. Er wäre wahrscheinlich erstaunt, dass sein Name als eponym für eine Krankheit verwendet wird, an der Millionen von Menschen leiden. Hätte es das Schicksal anders gewollt, könnten wir heute ebenso gut von der „Fischer-Krankheit“ oder „Bonfiglio-Krankheit“ sprechen.