Die „Steirische“ – eine diatonische Harmonika. Die „Steirische“, eine diatonische Harmonika, wird immer beliebter. Im oberfränkischen Marktredwitz gibt es neuerdings den Stammtisch „Freunde der Steirischen Harmonika“
Der Musikant mit dem Filzhut kommt ein bisschen näher, will etwas sagen und beugt dazu den Oberkörper nach vorne: „Ich bin heute mit meiner Neuen hier.“ Verschwörerisches Grinsen. „Eine Gebrauchte“ – in den Augen funkelt Besitzerstolz. Und dann verrät der gestandene Mann, wie er sich in diesem Augenblick fühlt: „Das ist, als ob man ein junges Mädchen ausführt.“ So mancher Instrumentalist wird solch emotionale Verbindung zu einem Musikinstrument sicher nachvollziehen können. Für viele begeisterte Musikanten ist ihr Instrument mehr als nur ein beliebiges Handwerkszeug. Ist vielmehr Begleitung in schönen und schweren Stunden, ist so etwas wie eine Vertraute, hat für einen eingefleischten Musikanten wohl auch so ein klein bisschen Seele.
Die Steirische Harmonika erlebt eine Renaissance
Ja, und das „Mädchen“, das da heute ausgeführt wird, ist schließlich auch schmuck und durchaus zum Verlieben: mit Intarsien besetztes Holzgehäuse, glänzende Metallverzierungen, ein rot-grüner Balg, kräftiger, durchsetzungsfähiger Klang – eine „Steirische“. Die Steirische Harmonika erlebt momentan eine Renaissance. Befördert wohl auch durch entsprechende Musiksendungen im Fernsehen, finden Musikanten zunehmend Geschmack an dem bodenständigen, robusten und attraktiven Instrument. Freilich, ein oberflächlicher, unmusikalischer Betrachter könnte die Steirische auch als Akkordeon abtun. Dabei sind die Spielsysteme der beiden Instrumente so verschieden, dass ein Akkordeonist wohl schwerlich etwas mit einer Steirischen anfangen könnte – und natürlich umgekehrt.
Das wechseltönige Handzuginstrument wurde in Wien erfunden
Die Steirische, diese spezielle Bauart eines Handzuginstruments, wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Wien erfunden. Weil sie sich durch ihren diatonischen Aufbau besonders dazu eignet alpenländische Volksmusik zu reproduzieren, belegte man das Instrument mit dem in Wien gängigen Synonym für „ländliche“ oder „provinzielle“ Musik: „steirisch“.
Bautechnisch betrachtet ist die „Steirische“ ein diatonisches, wechseltöniges Handzuginstrument. Das Besondere an ihr sind vor allem die kräftig klingenden Helikonbässe und der eingebaute „Gleichton“. In der Regel werden „Steirische“ mit drei oder vier Diskantreihen gebaut, wobei jede Reihe einer Tonart entspricht. Drückt der Spieler nun das Instrument, erklingen die Töne der jeweiligen Grundtonart, der Tonika. Zieht der Musikant, ergeben sich die Töne der dazugehörigen Dominanttonart. Soweit entspricht die Steirische der Funktionsweise jeder anderen diatonischen Harmonika.
Die Besonderheit im System: ein Gleichton
Als Besonderheit ist im System der „Steirischen“ nun noch ein so genannter „Gleichton“ eingebaut. Dieser bautechnische Kniff der Wiener Erfinder bewirkt folgendes: Tradierte alpenländische Volksmusik ist in der Regel harmonisch einfach aufgebaut und bewegt sich üblicherweise im Bereich der ersten und fünften Stufe – also von Tonika und Dominante. In der Tonleiter der Tonika ist der fünfte Ton identisch mit dem ersten Ton der Dominanttonart. Dieser somit zentrale Ton im tonalen volksmusikalischen Gefüge ist als Besonderheit bei der „Steirischen“ auf einem Knopf in mittlerer Lage doppelt, nämlich auf Zug und auf Druck, eingebaut: der „Gleichton“. Dieser „Gleichton“ erleichtert, wenn der Musizierende sich einmal daran gewöhnt hat, das Spiel typischer alpenländische Melodien auf der „Steirischen“ erheblich und lässt eine äußerst flüssige Spielweise zu.
Während die „Steirische“ früher meistens auswendig oder nach normalen Noten gespielt wurde, haben sich in letzter Zeit verschiedene Griffschriften eingebürgert, die dem Spieler das Erlernen des Notenlesens ersparen und ihm zu einem relativ leichten Einstieg in die Materie verhelfen sollen.
Die Anhängerschar der Steirischen wächst beständig
So wächst die Anhängerschar der „Steirischen“ beständig. Und so sind sie beim Steirischen-Stammtisch im „Forsthaus“ im Marktredwitz dann auch alle zu bewundern: die „Beltuna“ und die „Hohner, die „Lanzinger“ oder die „Silberbach“. Letztere übrigens ist ein Instrument, das in der nahen Oberpfalz konfektioniert und veredelt wird.
Zu hören sind sie da einmal solistisch und dann wieder alle gemeinsam, einmal als sparsame Begleitung zu einem besonderen Gesangsbeitrag und dann wieder als Führungsinstrument in einem schwungvollen „Reißer“. Den Gästen im Forsthaus ist es recht. Bei einem Glas Bier und im Kreise guter Freunde lässt es sich ja immer aushalten. In Gesellschaft gut gelaunter Musikanten und ihrer steirischen „Mädchen“ aber ist ein Stammtischabend perfekt.
Jeden zweiten Dienstag im Monat ist ab 19.30 Uhr Stammtischtreffen der „Freunde der Steirischen Harmonika“ in der Gaststätte „Forsthaus“ in Marktredwitz. Alle Liebhaber der Steirischen, aktiv oder auch als Zuhörer, sind herzlich willkommen.