Fast alle Texte der hebräischen Bibel, dem Alten Testament, stammen aus einer Zeit, lange bevor die Schrift entstand. Der Alte Orient kannte eine Erzähltradition, von der sich die heutige Menschheit wohl keine Vorstellung mehr machen kann. Nicht nur, dass dazu ein hervorragendes Gedächtnis nötig war, die Texte waren auch zu geformten literarischen Gattungen zusammengefasst und wurden bei kultischen Anlässen vorgetragen. Gebete und Hymnen, Erzählungen und Chroniken besaßen eine unverwechselbare Form und wurden nicht einfach in der alltäglichen Erzählweise weitergegeben. Auch die Evangelien und die Apostelgeschichte im Neuen Testament beruhen auf mündlich überlieferten Erzählungen von Zeitzeugen. Selbst nach der Niederschrift der Texte blieb die Erzähltradition weiter lebendig.
Die Anfänge der Schrift
Im Alten Orient begann das Schreiben mit der Erfindung der Keilschrift durch die Sumerer. Von etwa 4000 bis 3000 vor Christus verwendeten diese zunächst eine Bilderschrift, die sich zunehmend abschliff und sich zu einer Schrift entwickelte, die aus senkrechten, waagerechten und schrägen Strichen bestand und sich so leicht in Tontafeln ritzen ließ. Etwa zur selben Zeit entstand im Alten Ägypten ebenfalls eine Bilderschrift, die nach und nach durch Laut- und Deutezeichen ergänzt wurde: die Hieroglyphenschrift (so genannt nach dem altgriechischen Wort für heilige Zeichen). Die Ägypter glaubten, dass der Gott Thot ihnen diese Zeichen gegeben hatte. Der Übergang zur Buchstabenschrift vollzog sich in Phönizien in der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends. Etwa 1200 vor Christus übernahmen die Hebräer diese Schrift, bis sie die althebräische Schrift entwickelten und von etwa 1000 bis 250 vor Christus in dieser Schrift schrieben. Diese Schrift wurde mit leichten Veränderungen zur sogenannten aramäischen Quadratschrift.
Die Schriftweisen der Bibel
Seit etwa 300 vor Christus benutzen die Juden die aramäische Quadratschrift für Handschriften und die hebräische Bibel. Die Aramäer waren ein weit verzweigtes Volk. Ihre Sprache wurde in fast allen Ländern des Alten Orients verstanden und wurde so zur Umgangssprache der umliegenden Völker, ab etwa 400 vor Christus auch in Palästina. Jesus sprach aramäisch. Die Bücher des Neuen Testaments sind jedoch alle auf griechisch geschrieben. Die Verfasser verwendeten dabei nicht das klassische Altgriechisch, sondern die gebräuchliche Umgangssprache „koine“.
Das Material für die Schrift: Stein, Tontafeln und Papyrus
Als Schriftträger, als Material, auf das die Schrift aufgetragen wurde, diente zunächst Stein. Diese Tatsache findet sich in den Moseerzählungen wieder: „… gab er ihm die beiden Tafeln des Gesetzes; die waren aus Stein und beschrieben von dem Finger Gottes.“ Man schrieb außerdem auf Tontafeln, auch auf Tierhäute. Deren Weiterentwicklung wurde das Pergament (benannt nach der Stadt Pergamon). Noch gebräuchlicher als Schriftträger war die Schilfpflanze Papyrus. Pergament und Papyrus konnten gerollt oder zu Seiten geschnitten werden. Die alten Handschriften sind entweder Rollen oder Bücher (Codices). Dazu benutzte man Meißel, Griffel, Schilfrohr oder Pinsel – entsprechend dem Trägermaterial. Die Tinte wurde aus Ruß und Gummiwasser hergestellt.
Schreiber und Schriftgelehrte
Wer die Kunst des Schreibens beherrschte, war im Alten Orient hoch angesehen und bekleidete wichtige Staatsämter. Ihm wurde das Führen der Steuerlisten und der gesamten Korrespondenz anvertraut. Seine Bedeutung ähnelte der von Heerführern und Verwaltern. Als während eines Zeitraums von circa 100 Jahren bis 621 vor Christus die mündlich tradierten Berichte über die Gesetze, die Tora, niedergeschrieben waren, nahm die Bedeutung der Schreiber noch zu. Sie konnten nach einer Ausbildung im jüdischen Lehrhaus Schriftgelehrte werden und so über die Einhaltung des Gesetzes wachen. Die Schriftgelehrten werden im Neuen Testament überwiegend als Gegner Jesu dargestellt, die ihm nachweisen wollen, dass seine Lehre nicht dem Gesetz entspricht. So auch bei Lukas: „Und siehe, da stand ein Schriftgelehrter, versuchte ihn, und sprach: Meister, was muss ich tun, daß ich das ewige Leben ererbe? Er aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du?“.
Veränderung der Texte durch Abschreiben
Die Bibel, die heilige Schrift des Christentums, bestehend aus der hebräischen Bibel und dem Neuen Testament, enthält eine Sammlung von Büchern, die unabhängig voneinander in dem Zeitraum zwischen 1200 vor Christus bis 130 nach Christus entstanden sind. Um sie erhalten und weitergeben zu können, mussten sie wieder und wieder abgeschrieben werden. Selbstverständlich schlichen sich bei dieser Arbeit Fehler ein, wurden Teile unbeabsichtigt oder auch beabsichtigt verändert. Denn manche Schreiber ließen in die Texte ihre eigene zeitgemäße Interpretation einfließen. Daher waren zur Zeit der Erfindung des Buchdruckes, als die ersten Bibeln gedruckt werden sollten, viele Abschriften im Umlauf, die von den Originaltexten teils mehr teils weniger abwichen oder einfach fehlerhaft waren. Für die römisch-katholische Kirche war dieser Umstand nicht von großer Bedeutung, weil für sie seit dem Ende des 4. Jahrhunderts die offizielle Übersetzung ins Lateinische maßgeblich war. Die erste Bibel wurde lateinisch 1452 bis 1455 nach Christus von Gutenberg gedruckt.
Für die Protestantische Kirche dagegen wog dieses Problem schwerer. Sie ließ nur den Originaltext als originäres Glaubensdokument gelten – im Gegensatz zu späteren Auslegungen. Dies war ein Kernpunkt in Luthers Auseinandersetzungen mit der römisch-katholischen Kirche. Seine Überzeugung, dass sich die christliche Botschaft „sola scriptura“ (allein durch die Schrift) erschließt, machte es nötig, nach den Originaltexten zu suchen.
Der Vergleich der Handschriften mit Hilfe der Textkritik.
Im dem 18. Jahrhundert begann deshalb die systematische Suche nach alten Handschriften und brachte bis in die heutige Zeit überraschende Funde und Ergebnisse. Von den hebräisch-aramäischen Texten wurden nur verhältnismäßig junge Ausfertigungen gefunden. Denn in den Synagogen wurden Handschriften, die Verschleißerscheinungen aufwiesen, feierlich bestattet. Im Zuge der Entdeckung von immer mehr frühen Handschriften entwickelten sich Methoden der Textkritik mit dem Ziel, aus den einzelnen Textvarianten oder Passagen das Original herauszufinden, dasjenige, das der Intention des Verfassers im Kontext des ganzen Dokumentes und der zugrunde liegenden Zeitumstände am nächsten kam. Der ersten gedruckten lateinischen Bibel folgten viele weitere in Übersetzungen, in den Originalsprachen, in immer neuen Überarbeitungen. Die Bibel sei das meistgelesene Buch – diese Aussage ist nirgendwo belegt. Die Zeitschrift Focus berichtete jedoch in einem Artikel des Jahres 2000, dass die Bibel 1998 weltweit in einer Auflage von 585 Millionen Exemplaren gedruckt wurde.