Die Wärmeverbreitungslehre des deutschen Universalgenies. Aus heutiger Sicht sind Humboldts Auffassungen zur Klimatologie zu sehr auf Mittelwertsbildung gegründet.
Klimatologie ist bei Humboldt in erster Linie als Wärmeverbreitungslehre zu verstehen. Wenn Humboldt vom Klima spricht, so meint er meistens nur dessen thermische Seite. Im Kosmos bietet er folgende, sehr weit gefasste Definition: „Der Ausdruck Klima bezeichnet in seinem allgemeinen Sinne alle Veränderungen in der Atmosphäre, die unsere Organe merklich beeinflussen.“
Alexander von Humboldt: Die Isothermenkarte
Besonders interessiert ist Humboldt an der Veränderung der mittleren Temperaturverteilung mit der geographischen Breite und mit zunehmender Meereshöhe. Dies führt im Jahre 1817 zu dem Entwurf der ersten Isothermenkarte. Isothermen verbinden geographische Punkte miteinander, welche alle den gleichen homogenen (d.h. aus einer gleich langen Zeitspanne gebildeten) Mittelwert der Temperatur aufweisen.
Damit die gemessenen Mittelwerte verschiedener Höhenorte vergleichbar werden, müssen sie mit Hilfe der empirisch ermittelten Abnahme der Temperatur pro zunehmendem Höhenmeter (negative Korrelation: ca. 0,5 Grad Celsius pro hundert Meter) auf Meereshöhe (normal Null) genormt werden. Umgekehrt kann für jeden Ort auf der isothermen Linie der Mittelwert der Temperatur errechnet werden, indem von der angegebenen Temperatur für jeden Höhenmeter 0,005 Grad Celsius abgezogen wird.
Auf solche Weise entstehen Karten der Jahresisothermen und der Monatsisothermen, unter denen die Januar- und Julikarten wichtig sind, da sie für das Festland (nicht für die See) die niedrigsten und höchsten Temperaturmittel wiedergeben. So kann untersucht werden, was Orte gleicher Wärme geographisch Gemeinsames haben, und in welcher Weise eine bestimmte Erdstelle auf die Temperatur einwirkt.
Alexander von Humboldt: Einflüsse auf die Temperatur
Da bei der Annahme eines rein „solaren“ Klimas, bei welchem die Verteilung der Wärme unmittelbar von der Sonne abhängt, die Isothermen parallel dem Äquator und parallel unter sich verlaufen würden, ist die Abweichung und Krümmung durch Störungen verschiedener Ordnung zu erklären. So werden durch Humboldt erstmals gegenüber der mathematisch-theoretischen „solaren“ Klimaauffassung die lokalen und regionalen Gegebenheiten betont, indem er den chorologischen (d.h. den die Raumgebundenheit betreffenden) Gesichtspunkt in den Mittelpunkt rückt.
Besondere Aufmerksamkeit richtet er hierbei auf die orologischen Einflüsse. So werden die Klimate durch die Masse, Richtung und Anordnung der Gebirge individualisiert.
Humboldt erkennt, dass sich das Klima der Küsten und Inseln von dem des Inneren der Kontinente durch mildere Winter und kühlere Sommer stark unterscheidet. Er spricht hier von den Meeren als „weite Behälter einer wenig veränderlichen Temperatur“, den Landmassen als Gebiete der Temperaturschwankungen und den Winden, die eine Brücke schlagen zwischen Land- und Seeklima. Ebenso ergibt sich aus der Gegenüberstellung entsprechender thermischer Resultate eine größerer Ausgeglichenheit der Wärmeverhältnisse der Süd- gegenüber der Nordhalbkugel.
Alexander von Humboldt: Einschätzung der Klimatologie
Wie überzeugt Humboldt von der Genauigkeit der Isothermen und vor allen von deren praktischer Anwendbarkeit war, zeigt sich an seiner Behauptung, man könne in der Tropenzone Amerikas nach dem Stand des Quecksilberthermometers die Zeit auf eine Viertelstunde bestimmen.
Datenmaterial für Humboldts Isothermen sind Temperaturmessungen in allen Zonen und Höhen. Als Messinstrument für die Höhenbestimmung dienten ihm hierbei ein Reisebarometer zur Messung des Luftdrucks, sowie ein Hypsometer zur Messung der (luftdruckabhängigen) Siedetemperatur des Wassers.
Obwohl Humboldt der Klimatologie unzählige neue Erkenntnisse brachte – so wie die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre, Polarisation und Färbung, Dichtigkeit oder Druck, Temperatur und Feuchtigkeit – verbindet sich mit Humboldts Namen heute hauptsächlich die Einführung der Isothermen.
Humboldts Klimabegriff bleibt insgesamt gesehen zu statisch. Der Gedanke an Evolution war in seinem Gesamtwerk nicht vorhanden. Deshalb nimmt Alexander von Humboldt zwar die Variabilität wahr, kennt aber keinen Klimawandel.