Die Geschichte der Anatomie. Einblicke in die Entstehungsgeschichte der Anatomie. Die ersten anatomischen Zeugnisse findet man bereits in einigen Motiven der prähistorischen Höhlenmalerei und auch Hippokrates hatte sich als Arzt und Chirurg mit Themen der Anatomie befasst, allerdings mehr als Theoretiker.
Anatomie im heute verstandenen Sinn wurde im dritten Jahrhundert vor Christus in Alexandria praktiziert, dem Zentrum der hellenistischen Welt. Zu den wohl bedeutendsten Anatomen der damaligen Zeit zählten Herophilos von Chalkedon (um 340 v. Chr.), der sich hauptsächlich mit der Erforschung des Schädels befasste, sowie der Anatom Erasistratos von Julis auf Keos (um 320 v. Chr.), der die Arbeiten Herophilos fortsetzte. Der wohl bekannteste Anatom und Mediziner der Spätantike war Galenos von Pergamon, dessen 32 Bücher die enzyklopädische Zusammenfassung des damaligen anatomischen Wissens bilden.
Doch in Rom herrschte Sezierverbot am Menschen und durch die Annahme, die Tieranatomie lasse sich bedingungslos auf die des Menschen übertragen, schlichen sich viele falsche Behauptungen ein, die erst 1543 von Andreas Vesalius widerlegt wurden.
Die erste Sektion an einer menschlichen Leiche
Die erste Sektion an einer menschlichen Leiche soll 1315 von Henri de Mondeville an der päpstlichen Universität Bologna vorgenommen worden sein, möglicherweise auch erst 1316 von Mondino di Luzzi. Bei einer Sektion wurden mit einem längs zur Körperachse geführten Schnitt Brust- und Bauchhöhle geöffnet und die Organe untersucht. Zu Beginn des vierzehnten Jahrhunderts war eine postmortale Sektion keine unübliche Sache mehr. Seziert wurden Gehenkte, Enthauptete oder Selbstmörder – all diejenigen, denen nach Meinung der Kirche ein ehrenvolles Begräbnis auf dem Friedhof nicht zustand. Medizinische Zentren, an denen Anatomie gelehrt wurde, waren zu dieser Zeit Salerno und Bologna in Italien, Montpellier und Paris in Frankreich. Die Sektionen fanden häufig im Freien und hauptsächlich im Winter statt, da nicht alle Fakultäten der Universität ihre eigenen Räumlichkeiten besaßen und Kälte bekanntlich den Verwesungsprozess verzögert.
Anatomie im Mittelalter
Bis ins 16. Jahrhundert entwickelte sich die anatomische Forschung jedoch kaum. Man verließ sich auf die Schriften des Galenos von Pergamon, dozierte darüber, aber forschte nicht weiter. Die Anatomie stellte keinen ernst zu nehmenden Forschungsgegenstand dar, sie war nicht im Interesse der damaligen Medizin, da sie weder Krankheiten noch Körperfunktionen erklären konnte.
Darüber hinaus war man im Mittelalter der Auffassung, dass der Mensch nur ein Mikrokosmos eines übergeordneten Makrokosmos sei. Kannte man den Makrokosmos, erübrigte es sich, den Mikrokosmos genauer zu erkunden. Krankheiten und Seuchen wurden als Strafe Gottes erklärt und somit galt es, Zeit und Kraft in die Erforschung der Himmelsbilder und der Planeten zu investieren.
Die Anatomie im Wandel der Zeit
Doch unter dem Einfluss der Renaissance und der Philosophie des Humanismus, die erstmals seit der Antike den Menschen wieder in das Zentrum der Welt stellte, erlebte auch die Anatomie einen Wandel. Als Wegbereiter der Anatomie der Neuzeit gilt in erster Linie Andreas Vesalius (1514-1564). Während seiner Tätigkeit als Dozent an der Universität Padua stieß er auf einige Unstimmigkeiten in den Büchern des Galenos von Pergamon und veröffentlichte 1538 sein erstes anatomisches Werk, die „Tabulae anatomicae“. Seine berühmteste Schrift „De humani corporis fabrica librorum septem“ war 1543 eine ähnliche Sensation wie das im gleichen Jahr von Kopernikus veröffentlichte Werk „Über die Bewegung von Erde und Himmel“.
Das „Goldene Zeitalter der Anatomie“
Von der bisherigen Weltauffassung und dem untergeordneten Mikrokosmos war in diesen beiden Büchern keine Spur mehr. Da in diesem „Goldenen Zeitalter der Anatomie“ der Grundbau des menschlichen Körpers bereits bekannt war, begann man sich auf Fachgebiete wie Nerven, Sinnesorgane, Herz und Blutkreislauf zu spezialisieren. Das, was mit bloßem Auge nicht mehr sichtbar war, wurde erstmals mithilfe des Lichtmikroskops untersucht. Inzwischen fanden Sektionen nur noch selten im Freien statt. Anatomische Theater entstanden, an denen das Gelehrte am Leichnam demonstriert werden konnte.
Auch Mannheim besaß im 18. Jahrhundert solch ein anatomisches Theater, das sich ab 1784 in der Kaserne beim Rheintor befand und als „Militärisches Anatomisches Theater“ bezeichnet wurde.