Thomas Hobbes (1588-1679) ist einer der meist kritisierten Philosophen seiner Zeit. Seine düstere und radikale Seite wirkte abschreckend.
Man verurteilte ihn wegen seiner Radikalität, die sich in seinem Hauptwerk „Der Leviathan“ widerspiegelte. Es gehörte noch Jahre später zum guten Ton, sich von diesem ungemein radikalen und düsteren Hobbes abzugrenzen. Und trotz dieser Radikalität gilt er als der Philosoph der Neuzeit, mit dem eine neue Epoche politischen Denkens begann. Was war nun dieses spezifisch Neue, das seine Theorie ausmachte?
Naturzustand bei Thomas Hobbes
Der Naturzustand bei Hobbes ist ein durch und durch defizitärer Zustand. Ein Zustand in der jeder staatlicher Gedanke ausgeklammert ist. Alle Menschen verbindet im Naturzustand ein einziges Interesse, das der Selbsterhaltung. Die Menschen unterstellen alles dem Ziel diese Selbsterhaltung zu verwirklichen. Sogar soziale Beziehungen zwischen den einzelnen Individuen werden genauestens darauf geprüft, ob sie zum Erreichen des Ziels dienstlich sind oder nicht.
Instrumentelle Vernunft
Thomas Hobbes ist in diesem Fall der erste und radikalste Vertreter der instrumentellen Vernunft. Dies ist eine Vernunft, die mit den Dingen bestückt ist, die zur Erreichung des ihr vorgegebenen Ziels am dienstlichen sind. Dies macht die Menschen bei Thomas Hobbes im Naturzustand zu klugen Nutzenmaximierer. Das Orientierungsvermögen der Menschen besteht nun nur noch darin, was für einen selbst gut oder schlecht ist. Die Menschen sind bei Thomas Hobbes ständig auf der Suche nach Mitteln, die ihnen bei der Verwirklichung ihres Ziels behilflich sein können. Die Summe dieser Mittel nennt man Macht.
Voraussicht – Fähigkeit des Menschen
Außerdem sind die Menschen im Naturzustand, aufgrund ihrer Vernunft, fähig zur Voraussicht. Sie wissen um die Unberechenbarkeit der Zukunft und möchten sich jetzt schon für spätere Krisen wappnen. Thomas Hobbes beschreibt dies mit den treffenden Worten:„Der zukünftige Hunger macht den Menschen hungrig.“ Die Macht des Menschen besteht im Naturzustand in ihren gegenwärtigen Mitteln zur Erlangung eines anscheinenden, zukünftigen Guts.
Konkurrenzsituation
Allerdings ist die Anzahl dieser Güter begrenzt. Dies macht die Menschen im Naturzustand zu Konkurrenten. Wenn man nach einem Gegenstand strebt, den man nicht zu zweit besitzen kann, dann werden die Menschen zu Feinden. Konkurrenz schürt nun natürlich auch Misstrauen. Die Menschen bei Hobbes müssen hinter jeder Geste und hinter jeder Mimik ihrer Mitmenschen Böses wittern.
Ein weiteres Kriterium, das den Charakter der Menschen im Naturzustand bei Hobbes ausmacht, ist die Ruhmsucht. Das Bestreben, seine eigene Macht zu vergrößern oder zu verhindern, dass man in seinen eigenen Machtmitteln eingeschränkt wird.
Homo homini lupus est
Als letzte Eigenschaft des Naturzustandes nennt Hobbes die natürliche Gleichheit der Menschen. Darunter darf man sich aber keineswegs vorstellen, dass die Menschen gleich sind hinsichtlich Würde oder bestimmten Ansprüchen. Die körperlichen und geistigen Unterschiede zwischen den Menschen sind nicht so beträchtlich, dass sie im Kampf ums Überleben ausschlaggebend wären. Denn auch der Stärkste muss einmal schlafen! Es gibt bei Hobbes keine vorgefertigten Gewinner oder Verlierer. Für ihn sind im Naturzustand alle gleich und durch ihre Konkurrenzsituation ist jeder Mensch dem anderen Menschen eine lebenslange Bedrohung. Dies umschreibt Hobbes mit den bekannten Worten:„ Homo homini lupus est!“ = „ Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“.
Innerhalb der menschlichen Natur liegen also zusammenfassend drei Konfliktursachen: Konkurrenz, Misstrauen und Ruhmsucht. Deswegen beschreibt Hobbes den Naturzustand als bloßen Kriegszustand. Krieg ist für ihn „eine Situation, in der jeder hinter allem Böses wittern muss und versuchen muss, sich seines Feindes zu entledigen oder ihn sich verlässlich zu unterwerfen.“
Krieg aller gegen alle
Bei Thomas Hobbes herrscht im Naturzustand: Ein Krieg aller gegen alle! (Bellum omnium contra omnes.) Hobbes gesteht den Menschen in dieser Kriegssituation eine Freiheit zu. Jeder Mensche besitzt die Freiheit sein Machtpotential unabhängig von der Personalität anderer einzusetzen.
Recht auf alles
Ebenso verleiht er den Menschen ein natürliches Recht. Das Recht auf alles, sogar auf den Körper des anderen. Dies bedeutet gleichsam das Recht auf nichts, da es jeden Menschen offen steht.Freiheit und das natürliche Recht auf alles sind die notwendigen Zugeständnisse, damit ein Mensch im Sinne des Thomas Hobbes‘ dem Ziel der Selbsterhaltung in diesem Krieg Rechnung tragen kann.
Gesetze der Klugheit
Um nun diesen Kriegszustand zu bannen, benötigt man nach Hobbes eine übergeordnete Instanz. Die Menschen sollen versuchen nach bestimmten Gesetzen der Klugheit zu leben.
- Suche Frieden und halte ihn ein.
- Jedermann soll freiwillig, wenn andere ebenfalls dazu bereit sind, auf sein Recht auf alles verzichten, wenn dies für den Frieden und die Selbstverteidigung notwendig ist. Jeder soll sich mit so viel Freiheit gegenüber den anderen zufrieden geben, wie man den anderen selbst gegenüber sich selbst einräumen würde.
Der Weg aus dem Kriegszustand führt also nur über die Selbstbeschränkung. Da aber jeder Mensch im Naturzustand von Misstrauen gezeichnet ist, wird er sich rationalerweise nicht selbst einschränken.
Lösung dem Kriegszustand zu entkommen – der Leviathan
Die Lösung liefert ein Staat, nach Hobbes der Leviathan (hebräisch:„krumme, gewundene Schlange“). Er hat die Aufgabe, Vertrauensbrüche der Menschen wertlos zu machen. Er muss den Menschen Schutz gegenüber den Menschen bieten. Dies ist nur möglich wenn eine große Machtdifferenz zwischen dem Herrscher und den Beherrschten besteht. Der Leviathan muss eine ungeheure Macht besitzen. Dies ist nach Hobbes die zentrale Eigenschaft des Leviathans.