Die Erfindung des Kugelschreibers revolutionierte den Büroalltag nachhaltig. Der geniale Entwickler des Schreibuntensils hingegen geriet weitgehend in Vergessenheit. Trotz seiner unscheinbaren Alltäglichkeit ist er ein beliebtes Sammelobjekt, fungiert als Werbeträger und verzeichnet unter allen Bürogeräten die wahrscheinlich höchste Verlustrate: der Kugelschreiber. Das geniale Schreibutensil erleichtert uns die handschriftliche Aufzeichnung, denn es hat Tintenfässer und Patronen weitgehend überflüssig gemacht. Zwar predigten Generationen von Lehrern, der böse Kugelschreiber verderbe angeblich die Handschrift. Doch wie alles Verbotene, wurde der Kuli auf diese Weise für die Schüler noch interessanter …
Keine Computertastatur dieser Welt kann daher verhindern, dass der Kugelschreiber vermutlich auch weiterhin eine glorreiche Zukunft hat. Aber wie steht mit seiner Vergangenheit? Woher kommt er? Wie und warum wurde er erfunden?
Die vergessenen Erfinder
Angeblich geht die Geburtsstunde des Kugelschreibers auf einen Amerikaner und einen Briten zurück. Der Engländer Alonzo Townsend Cross ließ sich ein entsprechendes Schreibgerät 1873 patentieren. Doch die Erfindung wurde nie in Serie produziert und geriet weitgehend in Vergessenheit. Ähnlich erging es dem Amerikaner John L. Loud im Jahr 1888. Sein „Pen“ basierte auf dem Zusammenspiel von fünf Kugeln und fand ebenfalls keine Beachtung. Es sollten noch einmal 50 Jahre vergehen, ehe der Kuli endlich seinen Siegeszug antreten konnte.
Ladislaus Biro: ein Erfinder von Format
Als tatsächlicher Erfinder des heutigen Kugelschreibers gilt Laszlo Jozsef Biro, im deutschen Sprachraum meist Ladislaus Biro genannt. Der 1899 geborene Ungar war vielseitig begabt. Er arbeitete unter anderem als Versicherungsfachmann, Rennfahrer und Journalist. Zusätzlich betätigte er sich als Erfinder und Konstrukteur zahlreicher Neuerungen. Meist wird mit ihm jedoch nur die Geschichte des Kugelschreibers in Verbindung gebracht. Finanziell profitierte Ladislaus Biro vom Siegeszug seiner Erfindung übrigens nur in bescheidenem Maße. Schlimmer noch: Als der Tüftler 1985 starb, war seine persönliche Leistung weitgehend in Vergessenheit geraten.
Wie und warum der Kugelschreiber entwickelt wurde
Zur gedankliche Initialzündung bei der Entwicklung des Kugelschreibers kursieren mehrere Geschichten. So soll sich Biros Tochter geärgert haben, dass ein Mitschüler ihre Haarspitzen in ein Tintenfass tunkte. Der Vater habe ihr darauf die Erfindung eines neuen Schreibgeräts versprochen …
Etwas glaubhafter klingt da schon eine andere Begebenheit um Biros Tochter: Angeblich verlor das Mädchen beim Spielen eine Murmel. Diese durchquerte eine Pfütze und hinterließ anschließend auf dem Boden eine gut sichtbare Spur. Biro beobachtete den Vorgang und entwickelte daraus das technische Prinzip des Kugelschreibers.
Eine weitere Variante besagt, dass Biro durch den Besuch einer Druckerei auf die entscheidende Idee kam. Analog zur Einfärbung der Druckwalzen könnte man doch auch einen mit Tinte gefüllten Stift mit einer Kugel versehen und …
Wie auch immer der Erfinder auf seinen genialen Einfall kam: Fakt ist, dass er sich 1938 einen einigermaßen funktionsfähigen Kugelschreiber patentieren ließ, den sogenannten Go-Pen. Geholfen hatte ihm bei der Entwicklung sein Bruder György, ein ehemaliger Chemiker, denn Ladislaus Biro benötigte eine Tinte, welche nicht eintrocknete und gleichzeitig feste sowie flüssige Bestandteile enthielt.
Die Odyssee eines Erfinders
Unter anderen Umständen hätte Ladislaus Biro nun eine ähnliche Erfolgsstory verzeichnen können wie einige Jahrzehnte später ein gewisser Bill Gates. Doch die Zeichen der Zeit standen gegen den Erfinder. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft emigrierte er im Dezember 1938. Zunächst laborierte er kurzzeitig in Frankreich weiter. Als die deutsche Wehrmacht auch da einmarschierte, setzte sich Biro über Spanien nach Argentinien ab. Dort gelang es Biro mit Hilfe seines Bruders schließlich, den Kugelschreiber zu vervollkommnen. 1943 wurde dem Erfinder darauf ein neues Patent erteilt.
Weltweite Vermarktung des Kulis
In Buenos Aires begann Biro nun mit der industriellen Fertigung des Kugelschreibers. Doch bereits ein Jahr später verkaufte er seine Unternehmensanteile an einen der Geldgeber: Henry Georg Martin. Dieser britische Geschäftsmann sorgte dafür, dass die Besatzungen amerikanischer und englischer Kampfflieger mit den neuen Schreibutensilien ausgerüstet wurden. Der Vorteil lag darin, dass Kugelschreiber auch unter den Druckverhältnissen in großer Höhe nicht klecksten. Damit begann der Siegeszug des revolutionären Schreibgeräts, welches nun weltweit produziert und vertrieben wurde, teilweise sogar mit dem Werbeslogan: „Schreibt auch unter Wasser!“
Großen Anteil an der Popularität des neuen Produkts hatte auch ein gewisser Marcel Bich. Der Franzose erwarb 1950 die Patentrechte und produzierte einen preisgünstigen Kugelschreiber, dessen Markenname inzwischen zur Bezeichnung für einen großen Konzern wurde: BIC.
Der Kugelschreiber im Weltall
Mittlerweile gibt es seit Jahrzehnten auch Kugelschreiber, welche unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit tadellos funktionieren. Diese Tatsache wurde Anlass für einen bekannten urbanen Mythos. Im Internet kursiert dazu folgende Legende:
Die NASA investierte mehrere Millionen Dollar in die Entwicklung eines weltraumfähigen Kugelschreibers. Die russischen Raumfahrer hingegen griffen einfach auf einen Bleistift zurück.
So kurios die Sache klingt, so falsch ist sie. Auch die Amerikaner benutzen anfänglich einen (allerdings modifizierten) Bleistift, ehe der sogenannte „Space Pen“ in mehreren Varianten Verwendung fand. Jener wurde in den 60er Jahren von der amerikanischen „Fisher Pen Company“ kreiert. Die in Zusammenarbeit mit zwei Österreichern entwickelte Technik basiert auf permanentem Druck mittels einer integrierten Gaspatrone. Auf diese Weise funktioniert der weltraumfähige Kugelschreiber in allen Haltungspositionen und benötigt keine Schwerkraft. Die Fisher Pen Company entwickelte das Gerät auf eigene Kosten, sodass die NASA also tatsächlich keine Millionen aufwenden musste, sondern eben nur wenige Dollar pro Kugelschreiber.