Je weiter die Wissenschaft fortschritt, umso schwieriger wurde es, eine scharfe Trennung zwischen ihren einzelnen Fachgebieten zu ziehen. Noch bis in die 1820er Jahre beschäftigte sich die Chemie nur mit anorganischer, also unbelebter Materie. Doch 1828 gelang es dem deutschen Chemiker Friedrich Wöhler, Harnstoff künstlich herzustellen. Damit wurden auch belebte Stoffe immer mehr in die Arbeit der Chemiker einbezogen.
Ein Pionier auf diesem Gebiet war der Franzose Louis Pasteur (1822 – 1895). Er untersuchte die Gärungs- und Fäulnisprozesse an verschiedenen organischen Stoffen und kam bei seiner Arbeit zu dem Ergebnis, dass es Mikroorganismen (Kleinlebewesen) sein müssen, die zum Beispiel Lebensmittel chemisch verändern und für den Menschen ungenießbar machen können. Dass Mikroorganismen auch Krankheiten hervorrufen, bewies schließlich der deutsche Arzt Robert Koch (1843 – 1910). Er untersuchte unter dem Mikroskop das Blut von Tieren, die an Milzbrand erkrankt waren. Diese Krankheit endet in den meisten Fällen mit dem Tod und kann auch auf Menschen übertragen werden.
Mit Anillin-Farben wurden Milzbrand-Erreger blau gefärbt
Helle, nur drei tausendstel Millimeter lange Stäbchen, die eigentlich nicht im Blut der Tiere vorkommen sollten, machten den Forscher stutzig. Er züchtete diese Stäbchen außerhalb von Tierkörpern und spritzte sie dann völlig gesunden Tieren ein. Als diese Tiere dann an Milzbrand erkrankten, hatte Koch den Beweis, dass diese Stäbchen die Seuche verursachen. Der endgültige Durchbruch gelang ihm aber erst, als er sich bei seiner Arbeit der Chemie bediente.
1876 besorgte er sich die damals gerade von der chemischen Industrie entwickelten Anilin-Farben. Damit gelang es ihm tatsächlich, die Milzbrand-Erreger blau zu färben. Unter dem Mikroskop konnte man nun sehr genau Vermehrung und Wachstum der Bakterien beobachten. Mit seiner Arbeit hatte Robert Koch die Grundlagen zur Bekämpfung einer Reihe verheerender Seuchen geschaffen. Sein Schüler Paul Ehrlich (1854 – 1915) beobachtete, dass bestimmte Zellen Farbstoffe annehmen und andere nicht. Daraus schloss er auf eine gewisse „Verwandtschaft“ zwischen Farbstoff und Zelle. Ehrlich entwickelte die Idee, dass man Farbstoffe fnden muss, die Krankheitserreger färben, aber die übrigen Körperzellen nicht. Wenn man der Farbe nun ein Gift beigibt, würde es die Erreger abtöten, ohne das übrige Körpergewebe anzugreifen.
Der Schotte Alexander Fleming entwickelte das Penicillin
Es sollte allerdings noch mehrere Jahre dauern, bis Ehrlich seine Idee verwirklichen konnte. Schließlich mussten nicht nur die geeigneten Farben und Gifte für die Erreger gefunden werden, sondern auch die richtige Dosierung des Giftes, damit es die Bakterien abtötet, ohne dem Patienten zu schaden. Ehrlich und sein Team mussten an die 1000 Fehlversuche hinnehmen, bis es ihnen im Jahr 1910 endlich gelang, das erste Medikament herzustellen, das auf chemischem Weg direkt die Erreger angreift – das Salvarsan.
Gerhard Domagk (1895 – 1964) setzte Ehrlichs Arbeit auf dem Gebiet der Chemotherapie fort. Die von ihm entwickelten Sulfonamide töten Eiter-Erreger ab und wurden zu seiner wirksamen Waffe gegen lebensgefährliche Krankheiten wie Gehirnhautvereiterung und Lungenentzündung. Fast gleichzeitig gelang dem Schotten Alexander Fleming (1881 – 1955) ein entscheidender Durchbruch auf einem anderen Zweig der Medikamenten-Kunde. Er beobachtete, dass Stoffwechsel-Produkte des Kleinpilzes Penicillium notatum das Wachstum von Bakterien stoppen. Das von ihm entwickelte Penicillin erwies sich als bis dahin wirksamstes Mittel gegen eine Reihe schwer zu heilender Krankheiten. Atomspaltung und Gen-Manipulation prägten die Entwicklung der Chemie im 20. Jahrhundert.
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