Die Orgel mit ihrem erhabenen orchestralen Klang gilt als Königin der Instrumente und hat seit dem Mittelalter ihren festen Platz in der Kirchenmusik. Ihr frühester Vorläufer, die Hydraulis, stammt sogar schon aus der Antike: um 246 v. Chr. erfand der Alexandriner Ktesibios dieses Instrument, das bronzene Metallrohre als Pfeifen einsetzte und mit Luftdruck arbeitete.
In europäische Kirchen hielten die ersten Orgeln in heutiger Grundform ab dem 9. Jahrhundert Einzug, in den kommenden Epochen erfuhren sie wesentliche Erweiterungen und Verfeinerungen wie Manualtastaturen und wählbare Register, bis ihre Blütezeit im Barock begann.
Die musikbegeisterten Helgoländer und ihre ständig verstimmte Orgel
Auch die Bewohner der Insel Helgoland hegten und pflegten die Orgel als ihren ganzen Stolz, hatten jedoch wegen Temperaturschwankungen mit besonders häufiger Verstimmung des Instruments zu kämpfen. Da keiner der Einwohner in der Lage war, die schwierige Aufgabe des Orgelstimmens zu übernehmen, musste regelmäßig ein Orgelstimmer aus Deutschland gerufen werden. Während des 18. Jahrhunderts war jede Fahrt vom Festland noch ein mehrtägiges und aufwendiges Unterfangen, das auf Dauer ein gewaltiges Loch in die Finanzkasse der Insulaner riss.
Der Pastor der Inselgemeinde beschloss daher, ein Instrument in Auftrag zu geben, das seine Stimmung über Jahre halten kann, und fand 1798 in Johann Samuel Kühlewein aus Eisleben den geeigneten Ingenieur mit Erfindergeist.
Johann Samuel Kühlewein erfand die Flaschenorgel
Kühlewein kam auf die Idee, Glasflaschen als Pfeifen zu verwenden, da sich Glas im Gegensatz zu Metall oder Holz bei Temperaturschwankungen nicht verzieht. Er verarbeitete für seine Konstruktion fast 100 Flaschen und verschloss sie, nachdem er jede auf den richtigen Ton gestimmt hatte, mit Siegelwachs, um neuen Verstimmungen durch Luftfeuchtigkeit vorzubeugen.
Wenn dieses Instrument auch einen feineren und leiseren Klang hatte als sein Vorgänger mit Metallpfeifen, leistete es über Jahrzehnte gute Dienste. Als Ende des 19. Jahrhunderts Helgoland an Deutschland fiel und Kaiser Wilhelm II die Insel zu einem Marinestützpunkt erkor, zog die Mehrheit der Bevölkerung auf das deutsche Festland. Die Original Flaschenorgel kaufte ein Interessent aus England, und die liebgewordene Kuriosität der Helgoländer geriet bald völlig in Vergessenheit.
Die Neuschöpfung der „Beer Bottle Organ“ von Gary Rickert
Zufällig zum 200. Geburtstag der Flaschenorgel im Jahr 1998 wollte der Orgelbauer Gary Rickert für das 50. Firmenjubiläum der Firma Peterson Electro-Musical Products etwas Besonderes kreieren. Er ertüftelte zusammen mit seinen Kollegen Joe Farmer und Bill Bernahl eine Bierflaschenorgel exakt nach dem Prinzip Kühleweins, von dessen Vorläufer er allerdings bis dato nichts wusste. Im Dienste der Wissenschaft leerten die Orgelbauer während der Konstruktions- und Bauphase sogar die benötigten Bierflaschen persönlich.
Die moderne Flaschenorgel im Walnussgehäuse mit Beleuchtung und Midi-Schnittstelle für alternativ herkömmlichen oder elektronischen Spielgenuss kann bis zu 37 Töne gleichzeitig erklingen lassen und ist mit Rollen zum problemlosen Transport ausgestattet.
Da die „Beer Bottle Organ“ in Amerika auf enorme Begeisterung stieß, hat die Firma Peterson Strobe Tuners inzwischen die Produktion aufgenommen und fertigt auf Bestellung Instrumente nach den individuellen Wünschen der Interessenten an.