Die Schreibmaschine – Klaviatur des Geistes. Kurze Geschichte des mechanischen Schreibens. Mussten Autoren früherer Jahrhunderte ihre Werke noch mit der Hand schreiben, revolutionierte vor hundert Jahren das mechanische Schreiben ihre Arbeit.
„Es ist billig“, polemisierte der Romancier Lion Feuchtwanger in den dreißiger Jahren, „Nähe durch Schriftzüge herstellen zu wollen statt durch Gehalt. Ich liebe die Maschine. Wer ihr die Handschrift vorzieht, verteidigt die Postkutsche gegen das Auto.“
Der später von der Bücherverbrennung betroffene Starautor stand mit seiner Meinung nicht allein auf weiter Flur. Die Schreibmaschine begann sich auch in unseren Landen durchzusetzen. Natürlich, denn wir sprechen über Deutschland, wieder einmal mit erheblicher Verspätung.
Die Schreibmaschine kam aus Amerika
Wie immer waren die Amerikaner den Europäern technisch um Jahre voraus. Der Humorist Mark Twain schrieb 1876 seine „Adventures of Tom Sawyer“ auf einer noch recht reparaturanfälligen Remington-Typenhebelmaschine, Modell 1, die ausschließlich Großbuchstaben drucken konnte. Das Originalmanuskript gilt als das älteste maschinenschriftliche Werk der Weltliteratur.
Herders Konversations-Lexikon berichtet in der Ausgabe von 1907, die Schreibmaschine sei in Amerika inzwischen Allgemeingut. Und weiter schreibt das Nachschlagewerk, in Deutschland sei man davon noch weit entfernt, obgleich in den letzten Jahren vorzügliche und billige einheimische Schreibmaschinen gebaut wurden. Doch der Siegeszug der Schreibmaschine machte auch vor dem europäischen Kontinent keinen Halt.
Alte Schreibmaschinen sind heute Sammlerstücke
Adler (1898), Ideal (1900), Continental (1904), Torpedo (1906), Triumph (1909) und Erika (1910) hießen die ersten Markengeräte deutscher Hersteller. Auf Trödelmärkten werden diese wuchtigen Stahlgebilde mitunter als mechanisch meist defekte, dekorative Einzelstücke zu stolzen Preisen angeboten.
1929 dichtete Kurt Tucholsky eine Ode an die Schreibmaschine:
„Hände auf der Schreibmaschine
Meine Schrift kann niemand lesen,
nicht mal ich. Nur noch Chinesen
pinseln wichtig.
Ich will kein solch Pinsler bleiben,
mit acht Fingern lasst mich schreiben,
aber richtig!
Hebel rauscht, und Glöcklein klingt,
und die Schreibmaschine singt.“
1930 kam mit dem Modell Olympia eine preiswerte Schreibmaschine auf den deutschen Markt, die zur Durchsetzung des mechanischen Schreibgeräts als Massenbedarfsartikel beitrug. Die Schreibmaschinen wurden komfortabler und vor allem leichter. Reiseschreibmaschinen repräsentierten in den späten Sechzigern den zeitweiligen Höhepunkt technischen Komforts.
Der Siegeszug der elektrischen Schreibmaschine
In den 1960er Jahren wurde in Büros und Schreibstuben Abschied genommen von der mechanischen Monica oder wie sonst die den Sekretärinnen gewidmeten Modelle der sechziger Jahre hießen. Die elektrische Schreibmaschine wurde zum Schlager.
Elektrische Schreibmaschinen ziehen ihre Kraft aus der Steckdose. Federleicht sind ihre Tasten zu betätigen, und die Sehnenscheidenentzündung der Maschinenfräulein verflossener Technikepochen gehört der Sozialgeschichte der Berufskrankheiten an. In jedem Fall ist der Kraftaufwand wesentlich geringer.
Die elektrische Schreibmaschine steigerte die Schreibgeschwindigkeit und machte die Schreibarbeit zum Vergnügen. Korrekturtasten boten die Möglichkeit, fehlerhaft geschriebene Wörter sauber zu ersetzen. Wörter und Satzteile können hervorgehoben, das heißt gefettet, gesperrt oder kursiv gesetzt werden.
Einige dieser inzwischen preiswerten Schreibautomaten verfügten bald über einen kleinen elektronischen Arbeitsspeicher, einen „Puffer“, der die letzten Zeilen oder Sätze speicherte. Im Bedarfsfall konnten diese vor dem Ausdruck noch einmal überarbeitet werden.
Textverarbeitungssysteme versus Schreibmaschine
Wesentlicher Nachteil des mit Maschine geschriebenen Textes war, dass er bei Überarbeitung neu abgetippt werden musste. Wer schon einmal – vielleicht sogar im Zwei-Finger-Such-System – ein Manuskript von 200, 400 oder gar 600 Seiten getippt hat, ist erlöst, wenn endlich das letzte Zeichen gesetzt ist. Und dann alles noch einmal um- und abschreiben, nur um es in die endgültige Form zu bringen? Das ist viel verlangt.
Folglich gab es nur wenige Autoren, deren Rohmanuskripte druckreif waren. Die Lösung dieses Konflikts lieferte der Fortschritt auf dem Gebiet der Mikroelektronik. Bald lösten Textverarbeitungssysteme mit Bildschirm und Diskettenlaufwerk die Schreibmaschine ab. Diese waren anfangs enorm teuer und ausschließlich für den Einsatz in Büros bestimmt.
Einen Quantensprung in der Entwicklung stellten dann preiswerte PCs, mit denen das „Tippen“ in kürzester Zeit revolutioniert wurde. Die Möglichkeiten des Schreibenden, sich und sein Werk zu präsentieren, erfuhren dadurch einen enormen Aufschwung. Schreibmaschinen sind out und werden nur noch in kleinen Stückzahlen für Liebhaber hergestellt.