Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Schule einst mit der heutigen Lehrauffassung wenig zu tun hatte. Ab zwölf galt das Kind ehedem als Erwachsener. Schulen – einst ein Hort für Kleriker, Scholaren, Bettelstudenten.
„Wer faul zur Arbeit ist, ist einem Esel gleich, der aber Tugend liebt, der wird an Ehren reich“, ermahnte man einst Schüler.
Wer hat Schule erfunden
Mit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches in Deutschland kamen allmählich die Schulen auf. Doch Schulen, Lehrer und Schüler im heutigen Verständnis gibt es noch gar nicht so lange. Die Anfänge der Schulen bildeten Einrichtungen der Kirche, in denen der Nachwuchs der Kleriker herangezogen wurde. Der Humanismus brachte dann die Idee des „Gymnasiums“. Dort sollten entgegen der Verrohung der Sitten und der Ungebildetheit Sittenveredlung und geistige Bildung vermittelt werden. Die „Schüler“ waren nach damaliger Ansicht bereits Erwachsene und bei Schuleintritt zwölf, dreizehn Jahre alt. Eine Schule für Kinder im eigentichen Sinne gab es nicht.
Pfarrschulen, Klosterschulen, Trivialschulen
Pfarrschulen kamen ab dem 13. Jahrhundert auf. Sie standen rangmäßig unter den Klosterschulen und bildeten Geistliche der niederen Weihen aus. In Klosterschulen wurde dagegen Latein in Wort, Schrift und Gesang ausgiebig gelehrt, um anschließend Messen feiern und lesen zu können. Man unterschied zwischen „innerer“ Klosterschule, in die diejenigen gingen, die dem Kloster übergeben worden oder in dieses eingetreten waren, also Mönche, und „äußeren“ Klosterschulen für Laien. Durch die Einbeziehung der Laien wurden allmählich die sieben „artes liberales“, die freien Künste des klassischen Bildungsgutes – lateinische Grammatik, Logik (Dialektik), Rhetorik sowie Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie zum Lehrstoff erhoben.
Die geistliche Schule wandelte sich damit von einer Art „Berufsschule“ für Kleriker zu einer allgemeinen Lateinschule. Städtische Lateinschulen wurden „Trivialschulen“ genannt, da sie nur die trivialen Künste, also das Trivium aus Grammatik, Rhetorik und Dialektik lehren durften. Sie galten als weltliche Einrichtungen, in denen nur Latein unterrichtet wurde, was damals die lebende Sprache der Intelligenz war. Deutsch lernte man anfangs überhaupt in keiner Schule, sondern lediglich in der Familie. Ab dem 15. Jahrhundert finden sich vereinzelt Dorfschulen, in denen auch Deutsch gelehrt wurde.
Landschulen, Gymnasien
Mit der Einführung des Gymnasiums im Zeitalter des Humanismus entstanden so genannte höhere Schulen. Anhand klassischer Werke sollte geistige Bildung vermittelt werden. Im Zuge der Reformation wurde das Schulwesen als Aufgabe des jeweiligen Landesherren angesehen. Dies führte zu einem Ausbau der weltlichen Schulen. In den so genannten „Landschulen“, später teilweise auch Gymnasien genannt, wurden humanistische Inhalte vermittelt und viel Wert auf die Vorbereitung der Schüler für die Universitäten gelegt. Daneben gab es weiter die deutschen Schreib- und Rechenschulen. Erst die Aufklärung führte die letzte Reform der Schule herbei: die deutsche Sprache löste das Latein ab. Neue naturwissenschaftliche („reale“) Lerninhalte wurden gefördert und lösten religiöse ab.
Die Schülerlandschaft von einst
Schüler im heutigen Sinne – von Schulpflicht ganz zu schweigen – waren in den Anfängen der Schule meist bereits Erwachsene. Man trat – bei der damaligen Volljährigkeitsgrenze von zwölf bis vierzehn Jahren – etwa mit zehn bis dreizehn Jahren in eine Schule ein und war dann Schüler bis zum zwanzigsten, ja sogar bis zum dreißigsten Lebensjahr. Man kann deshalb sagen, dass mit der Einschulung das Kind in die Erwachsenenwelt eintrat. So gesehen war das Schülerdasein ein vollwertiger Beruf. Der Lebensstil solcher Schüler war deshalb nicht mehr als kindlich zu bezeichnen. Die Schüler lebten nur in Ausnahmefällen bei der Familie. Oft kamen sie aus anderen Städten oder vom Land und wohnten als Untermieter, häufig auch als Diener, bei Bürgern oder Adligen. Sie waren frei von jeder väterlichen und schulischen Autorität, lebten also wie erwachsene Junggesellen.
Fahrende Schüler und Halbpfaffen
Die Lebensweise dieser erwachsenen Schüler war oft zügellos und ausschweifend. Die „vagi scholares“, die „fahrenden Schüler“, zu denen auch die „clerici vagi“ – „Pfaffen“, „Halbpfaffen“, „Kleriker“ gehörten, wussten zu leben. Als angehende Kleriker waren sie von der Gerichtsbarkeit der Städte ausgenommen, was sie durchaus zu nutzen verstanden. Überlieferte, ausgelassene Vagantenlieder zeigen, dass Wein, Weib und Gesang im Vordergrund des Lebens dieser Männer standen. Oft aber stand an erster Stelle die Bettelei. (Vielleicht haben derartige Zeitgenossen Jahrhunderte später Karl Milllöcker zu der Operette „Der Bettelstudent“ inspiriert.)
Die Bettelei allerdings veranlasste die Obrigkeit im 14. Jahrhundert zu Gegenmaßnahmen. Das Vagantentum verlor deshalb bald seine Bedeutung, zumal in den Universitätsorten immer mehr Bursen gegründet wurden, in denen die Studenten seßhaft werden mussten. Dafür entstand ein neuer Typ von „fahrenden Schülern“, der mit der Universität nichts mehr zu tun hatte, sondern Schüler der Lateinschulen betraf. Diese oft bis zu dreißig Jahre alten „Bachanten“ zogen von Schulort zu Schulort, oft begleitet von jüngeren „Schützen“, die für sie betteln mussten. Eltern vertrauten so ihr Kind einem älteren Schüler an, damit dieser es in eine Schule führen und dort betreuen sollte. Spätestens die Reformation zu Anfang des 16. Jahrhunderts machte mit diesem Schülertyp Schluss, da sie Betteln generell als etwas Sündhaftes bekämpfte.