Der Ursprung der Sprache. Wie kam der Mensch zur gesprochenen Sprache? Was verbindet Handwerk und Sprache? Welche anatomischen Voraussetzungen mussten bestehen?
Die Ursprungsform der mündlichen Kommunikation suchen einige Forscher in den Sprachen der sogenannten primitiven Völker. Aber selbst wenn einige Sprachen nur eine geringe terminologische Vielfalt zeigen, so verfügen doch alle Sprachen dieser Welt, ob mündlich oder schriftlich, über dasselbe komplexe Ausdruckspotential. Auch die einfachsten können bereits sehr feine Nuancen artikulieren. Jede Sprache hat ihre eigene Geschichte, daher ist es auch keineswegs so, dass eine ältere Sprache per se eine weniger entwickelte wäre. Die Vorstellung von primitiven Sprachen ist auf den Rassismus des 19. Jahrhunderts zurückzuführen. Dieser diente im Zuge des Kolonialismus dazu, die vermeintliche Überlegenheit der westlichen Welt zu sichern.
Sprache und Handwerk
Sprache knüpft nicht nur Worte mit Bedeutungen und zu ganzen Sätzen zusammen. Vielmehr werden sie selbst mit Hilfe von Phonemen gebildet, deren mögliche Zahl anatomisch begrenzt ist. Für sich genommen hat ein einzelner Buchstabe keine eigene Bedeutung, aber er macht die Unterschiede zwischen zwei Worten möglich. Wie etwa bei Hand und Land oder bei Haus und Maus. Um Kommunikation zu ermöglichen und an sich bedeutungslose Laute Sinn transportieren zu lassen, ist eine doppelte Verbindung erforderlich.
Aber woher kommt diese spezifisch menschliche Fähigkeit? Der Prähistoriker André Leroi- Gourhan verbindet die Entstehung der Sprache mit dem Herstellen und Beherrschen von Werkzeug. Je ausgefeilter ein Werkzeug ist, desto differenzierter werden die einzelnen Handbewegungen bei dessen Herstellung. Planung und damit die Berücksichtigung von Zeit werden damit immer wichtiger. Wie bei den Sprachen kommt auch bei der Produktion von Werkzeugen eine doppelte Verbindung zum Tragen. Jede einzelne Handbewegung für sich gesehen hat keine eigene Bedeutung, aber beim Herstellen eines Werkzeuges fügen sich alle Bewegungen zu einer sinnvollen Abfolge zusammen. Laut Leroi-Gourhan entwickelten sich Sprachen und Geschick parallel zueinander. Je ausgefeilter ein Werkzeug ist, desto mehr ist eine sprachliche Unterweisung im Bezug auf Herstellung und Funktion notwendig. Was wiederum auch die Sprache und die soziale Dimension erweitert. Möglicherweise könnte die Fähigkeit zur doppelten Verbindung das entscheidende Kriterium sein, welches den Mensch zu einem Menschen macht.
Von Laut zu Vokal und Konsonant
Dem Mensch scheint seine Sprechfähigkeit angeboren zu sein. Kinder erlernen ihre Sprache immer nach demselben Schema. Dabei lassen sie schnell die Zweisilbenbegriffe wie Mama und Papa hinter sich. Man kann am Spracherwerb von Kindern gut erkennen, wie sie grobe Laute verwenden, bevor sie später sprachliche Facetten erforschen. Diesen Prozess könnte man durchaus auf die historische Entwicklung der Sprachen beziehen. Die Hominiden verfügten über ein rudimentäres Wechselspiel von Gebärden und Lauten. Mit der Zeit differenzierten sich diese Laute in ihrer Aussprache, bis sich distinktive Merkmale herausbildeten. Die sogenannte Geburtsstunde der Konsonanten und Vokale.
Sprache und Anatomie
Die paläontologischen Fakten beweisen natürlich nicht alles, aber sie geben einen gewissen Einblick über die artikulatorischen Möglichkeiten der Hominiden. Beispielsweise waren Forscher beim Neandertaler lang der Auffassung, er hätte insbesondere die Vokale i, a und u nicht bilden können. Es wurde angenommen, dass der Kehlkopf des Neandertalers zu weit oben lag und damit die aufsteigende Atemluft zu wenig Platz hatte, um, unterstützt von der Zunge, gewisse Laute artikulieren zu können. Als 1989 in einem Neandertalergrab in Israel ein Zungenbein unter den Überresten gefunden wurde, musste sich die Wissenschaft eines Besseren belehren lassen. Das überraschende Ergebnis der Untersuchung war, dass die Position des Kehlkopfes bei diesem Neandertaler im Bezug auf den Unterkiefer und die Rückenwirbel nahezu der eines Homo sapiens sapiens entsprach. Damit war bewiesen, dass der Neandertaler eine weit höher entwickelte Sprache besaß, als bis dato angenommen. Man sollte allerdings bedenken, dass auch zahlreiche Affenarten die anatomischen Voraussetzungen erfüllen würden. Aus diesem Grund sollte man nicht davon ausgehen, dass die Anatomie allein es erlauben würde, Laute oder gar Worte zu bilden.
Die Neandertaler gingen jagen, benutzten eigenes Werkzeug und legten Vorräte an. Diese Fähigkeiten setzen eine soziale Organisation voraus. Laut Leroi-Gourhan muss ihnen daher die gesprochene Sprache geläufig gewesen sein.