Kühlerfiguren sind fast so alt wie das Auto selbst, denn ihre Geburtsstunde schlug, als dessen Erfindung noch keine 15 Jahre her war. 1899 schraubte ein adliger Autonarr namens Lord Montagu of Beaulieu auf den Kühler seines Daimlers eine Skulptur des Sankt Christophorus, welcher bekanntlich Schutzheiliger aller Reisenden ist. Der Platz am vorderen Ende des Wagens war indes kein Zufall. Meist befand sich dort bei damaligen Fahrzeugen ein Schraubverschluss, welcher zum Nachfüllen und Kontrollieren des Kühlwasserstandes diente.
Aufstieg und Niedergang der Kühlerfiguren-Ära
Die Idee des Lords fand innerhalb weniger Jahre zahlreiche Nachahmer, so dass bald ein regelrechter Industriezweig mit der Herstellung von Kühlerfiguren beschäftigt war. Zunächst handelte es sich dabei weniger um die Markenzeichen der jeweiligen Hersteller. Stattdessen konnte der Autofahrer entsprechend seiner finanziellen Möglichkeiten aus einer Vielzahl eleganter, witziger oder repräsentativer Figuren wählen. Zu den Verkaufsschlagern zählten dabei Darstellungen von Sportlern und Göttergestalten oder auch Motive aus dem Tierreich. Die verwendeten Materialien variierten von einfachen Ausführungen in Zink, Bronze oder Messing bis hin zu kostbaren Glasmodellen oder Legierungen aus Edelmetall. Auf dem Höhepunkt dieser Ära in den 1920er Jahren wurden manche Figuren sogar mit einem Kühlwasserthermometer oder indirekter Beleuchtung versehen. Renommierte Autofirmen gingen jedoch bereits frühzeitig zu markeneigenen Kühlerfiguren mit entsprechendem Wiedererkennungswert über.
Doch mit dem veränderten Design des Automobils begann auch der Niedergang der Kühlerfiguren. Die Fahrzeuge wurde runder, schnittiger und kompakter in ihrer Bauweise. Das große Sterben der angeblich einst mehr als 6000 aufrecht stehenden Wahrzeichen setzte ein. Die wenigen verbliebenen Modelle gerieten schließlich sogar in die Kritik, denn sie erhöhten bei Unfällen mit Fußgängern für diese das Verletzungsrisiko. Hersteller wie Jaguar oder Mercedes versahen daraufhin ihre stehenden Symbole mit einem flexiblen Mechanismus. Heute findet man Kühlerfiguren vorrangig auf Oldtimern, an Fahrzeugen der gehobenen Preisklasse oder bei Exoten wie den Excalibur-Modellen.
Emily: Die wahrscheinlich nobelste Kühlerfigur der Welt
Lord Montagu, der Begründer dieser Ära, ist auch mitverantwortlich für eine der nobelsten Kühlerfiguren der Welt: „Spirit of Ecstasy“, oftmals einfach nur kurz „Emily“ genannt. Wie die Figur zu diesem Frauenname kam, bleibt rätselhaft. Ihre Entstehung hingegen ist gut dokumentiert: Als Rolls-Royce 1910 eine repräsentative Kühlerfigur suchte, empfahl Lord Montagu der Firma den Künstler Charles Sykes, welcher bereits für den Lord selbst eine Kühlerfigur kreiert hatte. Jene ähnelte dem Entwurf, den der Künstler schließlich auch für Rolls-Royce anfertigte. Dies war kein Zufall, denn für beide Figuren stand eine gewisse Eleanor Thornton Modell, die heimliche Geliebte des Lords.
„Spirit of Ecstasy“, die grazile Darstellung einer zum Flug abhebenden Frau, krönte fortan die
Motorhauben der Nobelkarossen von Rolls-Royce. Als Ende der 1920er Jahre die Karosseriegestaltung der Wagen flacher ausfiel, musste sich „Emily“ einige Zeit lang hinknien, ehe nach dem Zweiten Weltkrieg in verkleinerter Form wieder die stehende Variante bevorzugt wurde.
Rolls Royce gehört zu den wenigen Fahrzeugherstellern, welche auch heute noch stehende Kühlerfiguren verwenden. Inzwischen kann „Emily“ jedoch auf Knopfdruck im Inneren des Motorraums verschwinden, wo sie vor Langfingern sicher ist.
Die Geflügelten: Hispano Suiza, Bentley und Horch
Jahrzehntelang wurden unter dem Namen Bentley die Schwestermodelle der Rolls-Royce-Typen verkauft. Bei ansonsten recht starker Ähnlichkeit fielen die Bentley-Wagen in der Regel optisch etwas eleganter aus und erreichten so Käuferschichten, denen ein Rolls-Royce mit seiner imposanten Kühlerfigur zu protzig wirkte. Dennoch verfügen auch Bentleys über eine kleine Kühlerfigur, welche aus einem geflügelten „B“ besteht.
Auch andere noble Fahrzeughersteller verliehen ihren Kühlerfiguren Flügel. So krönte beispielsweise die spanisch-schweizerische Firma Hispano Suiza einst die Motorhauben ihrer eleganten Wagen mit einem fliegenden Storch. Die sächsische Luxusmarke Horch wiederum ersetzte ab ungefähr 1930 ihre bisherige Kühlerfigur durch eine Art geflügelte Kugel.
Aus der Welt der Sterne: Mercedes und Chrysler
Er zählt zu den bekanntesten Markenzeichen der Welt: Der Mercedes-Stern. Einer Überlieferung nach symbolisiert der Dreizack die Idee Gottlieb Daimlers, Motoren für Wasser-, Luft- und Landfahrzeuge herzustellen. Andere Anekdoten verweisen hingegen darauf, dass der Firmengründer das Logo einst als eine Art Glücksstern auf eine Postkarte gezeichnet habe. Wie auch immer das nicht nur bei Autofahrern beliebte Symbol entstanden sein mag: Als der Mercedes-Stern 1909 zum Markenzeichen wurde, war sein mutmaßlicher Erfinder Gottlieb Daimler bereits neun Jahre tot.
Der Mercedes-Stern ist heute einer der letzten Vertreter aufrechter Kühlerfiguren. Doch selbst diese Bastion wankt. Längst nicht mehr jeder Neuwagen von Mercedes-Benz trägt den Stern stolz und erhaben auf der Motorhaube. Aerodynamische Anforderungen haben dazu sicherlich ebenso beigetragen wie Design-Fragen oder die hohe Diebstahlrate des Sterns.
Ähnlich ergeht es einem anderen Stern-Symbol, welches zudem fast ein Jahrzehnt lang zum gleichen Konzern wie Mercedes gehörte: Der Pentastar entstand 1962 als Markenzeichen des amerikanischen Fahrzeugherstellers Chrysler. Seine fünf Zacken stellen allerdings nicht (wie häufig vermutet) die damals fünf zum Konzern gehörigen Automarken dar. Doch auch der Pentastar ist auf Chrysler-Modellen kaum noch finden.