Schachboxen: Ring frei für eine „Königsdisziplin“. Schach und Boxen – Iepe Rubingh hat zwei Welten aus dem Sportuniversum verbunden und strebt mit der „Königsdisziplin“ Schachboxen sogar Olympia an.
Schach und Boxen sind keine Sportarten, die man gedanklich spontan assoziieren würde. Die vordergründig körperliche Komponente beim Boxen scheint zu weit entfernt von der intellektuellen Ausstrahlung des Schachs. Dennoch faszinieren einen Mann beide Extreme so, dass er sie kombiniert und aus ihnen eine neue Disziplin gemacht hat: Iepe Rubingh hat das Schachboxen erfunden.
Begründer und Meister des Schachboxens
Dem niederländischen Performance-Künstler Iepe Rubingh mangelt es nicht an ausgefallenen Ideen. Und er setzt sie auch um, Konsequenzen inklusive. Als er im Rahmen eines Kunstprojektes die meist befahrene Kreuzung Tokios durch Spannen von Plastikbändern lahm legte, saß er dafür zehn Tage im Gefängnis. Die Idee, Schach und Boxen zu kombinieren, lieferte ihm der Comic „Äquatorkälte“ von Enki Bilal. Ursprünglich als Kunstperformance konzipiert wurde aus dem Konzept bald die Grundlage, Schachboxen zu einer ernsthaften Sportart zu entwickeln. Rubingh gründete die „World Chess Boxing Organisation“ (WCBO), deren Präsident er ist, und 2005 in Berlin den weltweit ersten Schachbox-Verein, dessen Vorsitz er führt. Damit nicht genug. Iepe Rubingh ist auch aktiver Sportler. Und erfolgreich! 2010 eroberte er den Titel des deutschen Schachbox-Meisters im Halbschwergewicht gegen Tim Yilmaz, eine große Nachwuchshoffnung aus München.
Schachboxen: Denk- und Kampfsport in einem Ring
Ein Boxring mit zwei Kontrahenten im Boxerdress, die vor einem Schachbrett sitzen. Dieses Szenario könnte eine Kunstperformance vom Format Iepe Rubinghs sein. Eine Kunstperformance ist es nicht, aber der Meister hat trotzdem seine Hände im Spiel: Es handelt sich um die erste Runde eines Schachbox-Wettkampfes. Beim Schachboxen wird über elf Runden abwechselnd eine Runde Schach gespielt und eine Runde geboxt. Begonnen wird mit Schach. Zwischen den Runden gibt es eine Minute Pause, um die Boxhandschuhe an- und auszuziehen. Wer beim Schach die Bedenkzeit überschreitet, Schachmatt gesetzt wird, aufgibt oder beim Boxen K.o. geht, hat den Kampf verloren. Um an Wettkämpfen teilnehmen zu können, reicht es allerdings nicht, nur in einer der beiden Disziplinen gut zu sein. Voraussetzung für eine Teilnahme sind ein mindestens zweijähriges Boxtraining und eine Elo-Zahl von mindestens 1800, wobei die Elo-Zahl die Spielstärke eines Schachspielers beschreibt. 1800 Punkte entsprechen der obersten von vier Amateurklassen und fallen in die Kategorie „sehr guter Vereinsspieler“.
Schachboxen: „Beherrsche dich, bevor es dein Gegner tut“
Dieser Satz, der auf einem Sticker der WCBO, des Dachverbandes für Schachboxen, steht, drückt aus, worum es beim Schachbox-Sport im Wesentlichen geht: Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle. Die Aggression aus der Boxrunde nicht in die Schachrunde mitzunehmen, sondern vor dem Brett einen kühlen Kopf zu bewahren, stellt eine der größten Herausforderungen dar. Nicht nur die Beherrschung jeder der beiden Sportarten an sich, die im übrigen bezüglich Strategie, Konzentration und Selbstbeherrschung viele Gemeinsamkeiten aufweisen, sondern auch der fliegende Wechsel von einer Runde Denksport zu einer Runde Kampfsport stellt höchste psychische und physische Ansprüche an die Sportler.
Wer einen Wettkampf bestreiten möchte und die Voraussetzungen für eine Teilnahme erfüllt, kann sich direkt bei der WCBO bewerben. Männer wie Frauen sind gleichermaßen willkommen. Die WCBO hat es sich zum Ziel gesetzt, den Schachbox-Sport auf allen Kontinenten bekannt zu machen. Der Vision, Schachboxen als olympische Disziplin zu etablieren, will man durch eine inoffizielle Demonstration des Sportes bei den Olympischen Spielen 2012 in London einen Schritt näher kommen.