Wer hat den G-Punkt entdeckt

G-Punkt

Wissenschaftlich nicht bewiesen bestreiten Skeptiker die Existenz des G-Punktes, andere schwören auf die Möglichkeit zu orgiastischen Höhenflügen.

Aus der Sicht eines Mannes über den weiblichen Orgasmus zu schreiben erscheint im ersten Moment allerhöchstens belächelnswert, am wenigsten jedoch authentisch. Das Internet und Sexratgeber sind voll von Einträgen über diesen geheimnisvollen Punkt, der von der einen Seite als „Schwachsinn weil nicht nachweisbar“ und auf der anderen Seite als „Gral am Ende der sexuellen Befriedigung“ bezeichnet wird. Doch schon allein mit diesen Aussagen im Hinterkopf lässt sich sehr wohl ein Bild über dieses Thema machen, wenn auch ein wissenschaftlich kontroverses.

Wissenschaftliche Hintergründe und Ursprung der Forschung – Gräfenberg-Zone

Beginnend mit Ernst Gräfenberg, der den Punkt 1950 in einem medizinischen Artikel das erste Mal, wenn auch etwas umständlich, beschreibt („erogene Zone in der vorderen Vaginalwand, entlang der Harnröhre, die bei sexueller Stimulation anschwillt“) und dessen Name Pate ist, befasst sich die Medizin immer wieder mit diesem Mythos. Laut Gräfenberg ist diese Stelle gekennzeichnet durch eine bis zu walnussgroße, schwammige und leicht gerillte Fläche an der Vorderwand der Vagina gleich hinter dem Schambein. Jedoch wird in einigen Publikationen behauptet, der G-Punkt könne wandern und sei allein schon deshalb schwer auszumachen.

Tatsache ist: Viele Fakten sprechen dagegen, dass es ihn gibt

Eine erhöhte Sensibilität, wie sie im G-Punkt zu finden ist, bedeutet in der Regel eine erhöhte Anzahl von Nervenenden, wie z.B. in der männlichen und weiblichen Glans. Diese sind anatomisch jedoch nicht nachweisbar. Warum sollte also gerade hier eine erhöhte Sensibilität vorherrschen?

Ein von Andrea Burri, Sexualforscherin vom Londoner King’s College, im Frühjahr 2010 durchgeführter Test versuchte mittels der Untersuchung der Vererbbarkeit des G-Punkts Klarheit zu schaffen. Insgesamt wurden für die Studie 900 weibliche Zwillingspaare befragt.

Da eineiige Zwillinge die gleichen Gene haben, hätten sie auf die Fragen signifikant ähnliche wenn nicht gleiche Antworten geben müssen, was aber nicht der Fall war. Im Gegenteil, sie waren statistisch denen ihrer zweieiigen Versuchskolleginnen identisch. Im „Journal of Sexual Medicine“ brachte Burri es auf den Punkt: „Es ist ziemlich unverantwortlich, die Existenz einer Struktur zu behaupten, die niemals nachgewiesen wurde, und damit Frauen und Männer unter Druck zu setzen.“

Tatsache ist ebenfalls: Es gibt ihn!

Unverantwortlich dagegen findet diese Aussage der bekannte französische Gynäkologe Sylvain Mimoun, denn sie sei schlichtweg falsch. Es sei unmöglich, dieses Phänomen allein auf seine Vererbbarkeit hin zu überprüfen: „Der G-Punkt ist aber keine Frage von Vererbung, sondern von Verwendung. Heißt: Diese sensible Zone erhält ihre Funktion, wenn sie benutzt wird. Für Frauen, deren G-Punkt noch nie stimuliert wurde – sei es von ihnen selbst oder ihren Partnern – fühlt es sich dann natürlich so an, als würde es ihn nicht geben. 60 Prozent der Frauen haben aber einen G-Punkt, er muss nur entdeckt werden.“

Das wirkt jedoch etwas konfus, denn zunächst heißt es, sozusagen durch Übung könne der Punkt „entdeckt“ werden, unabhängig von den Genen. Warum aber haben dann nur 60 Prozent der Frauen einen? Es stehen also wieder Aussagen gegeneinander.

Erfahrungsberichte aus erster Hand – die Anonymität des Internets macht es möglich

Etwas wahres scheint jedoch dran zu sein, so sind dank der Anonymität des Internets viele Frauen mutig und offen genug, über dieses Thema zu sprechen und zu schreiben. In einschlägigen Foren finden sich unzählige Einträge zu diesem Thema. Der Eindruck, der hierbei hinterlassen wird, spricht eine eindeutige Sprache: Es gibt sehr wohl einen vaginalen Orgasmus und eine dazugehörige Ejakulation.

Dieser ist jedoch anscheinend sehr selten, was auch der berühmte Hite-Report von 1979 belegt. Demnach stimulieren 79 Prozent der befragten Frauen bei der Masturbation die Klitoris, dagegen nur 1,5 Prozent die Innenseiten der Vagina. Kann es also möglich sein, dass viele Frauen nur deshalb nichts davon wissen oder gar wissen wollen, da sie ja auch durch klitorale Stimulanz zum Höhepunkt kommen und deshalb der Umweg über eine vaginale Befriedigung zu umständlich ist? Ein Beleg hierfür wäre die schwere Erreichbarkeit, denn ohne Hilfsmittel lässt er sich nicht stimulieren.

Technische Hilfmittel – G-Punkt-Vibratoren

Dass dem abgeholfen werden kann beweist die zunehmende Vermarktung sogenannter G-Punkt-Vibratoren. Diese sind im Gegensatz zu denen, die auf klitorale Freuden ausgerichtet sind, stark gekrümmt, sodass eine Stimulanz und Erreichen des G-Punkts leichter möglich ist. Ein Zusammenhang mit der statistisch häufigen natürlichen, leichten Krümmung des Penis nach oben liegt nahe, auch wenn diese Krümmung nicht die Regel ist.

Ein weiteres, wenn auch etwas drastisches Mittel dieser Befriedigungsform nachzuhelfen ist eine G-Punkt-Operation . Dabei werden die oberen Hautschichten mit körpereigenem Fettgewebe oder Hyaluronsäure unterspritzt. Zweck dieser Operation ist eine Vergrößerung der Wölbung und somit Fläche des Punktes, was eine Luststeigerung zur Folge haben soll.

Gäbe es den G-Punkt nicht wäre es geradezu seltsam, warum sich Unternehmer derart auf diese Marktlücke stürzen. Anscheinend ist genügend Nachfrage da, die – das Wortspiel sei erlaubt – befriedigt werden muss.

Der männliche „G-Punkt“, die Prostata

Wie die Frau hat auch der Mann eine Lust steigernde Stelle, die genauso selten wenn nicht sogar viel seltener thematisiert wird. Ein Grund hierfür dürfte sein, dass jegliche anale Stimulation beim Mann mit homosexuellen Neigungen in Verbindung gebracht wird, was aber nicht den Tatsachen entspricht. Viele Männer sind verunsichert, wenn „es darum geht.“

Funktion und Lage

Die Prostata erfüllt zunächst die nicht unwesentliche Aufgabe, den im Hoden produzierten Spermien den Weg durch die Vagina hin zum Muttermund zu ermöglichen. Das männliche Ejakulat ist im wesentlichen eine Mischung aus Spermien und eine milchig durchsichtigen Flüssigkeit. Diese auch in der Prostata produzierte Flüssigkeit neutralisiert das für die Samenzellen schädliche saure Milieu der Vagina.

Sie liegt ähnlich wie der G-Punkt einige Zentimeter hinter dem Anus hinter der vorderen Darmwand und fühlt sich an wie eine weiche Kugel. Auch eine außerkörperliche, indirekte Stimulation ist durch eine Massage des Dammes zu erreichen. Dadurch setzen Kontraktionen der Beckenbodenmuskulatur ein, die manchmal sogar ausreichen sollen um zum Höhepunkt zu kommen. Anders als beim G-Punkt gibt es hier kaum eine Kontroverse und keinen wissenschaftlichen Schlagabtausch. Fraglich ist, ob es an der Tabuisierung oder der medizinischen Eindeutigkeit liegt.

Abschließend ist zu sagen, dass sich sowohl Mann als auch Frau nicht von Fremdaussagen zu körperlichen Höchstleistungen hetzen lassen, sondern die Diskussionen darum als Anregung, sich mit dem eigenen Körper auseinander zu setzen, ansehen sollte.

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