Lügendetektor-Tests sind durch große Unzuverlässigkeit und Manipulierbarkeit charakterisiert.
Entgegen der in der Öffentlichkeit prävelierten Vorstellung ist ein Lügendetektor kein Gerät zur Erkennung von Wahrheit oder Lügengespinst. Der Lügendetektor wird in der Fachsprache als Polygraph (Vielschreiber) terminiert und fungiert zur Aufzeichnung von Blutdruck, Puls und Atemfrequenz oder der elektrischen Leitfähigkeit der Haut. Der Polygraph ist lediglich ein Hilfsmittel zur Registrierung der bereits genannten Parameter wie Blutdruck oder Puls. Die erfassten Veränderungen liefern keine Aussagen über Aufrichtigkeit oder Lüge der jeweiligen Antwort, sondern über das Erregungsniveau der befragten Person. Als Erregungs- oder Aktivierungsniveau wird in der Psychologie der Wachheitsgrad einer Person bezeichnet. Die Höhe des Levels ist bedeutsam für die Reaktion eines Menschen auf verschiedene Reize. Die Höhe des Niveaus entscheidet, ob auf eine bestimmte Situation in optimaler Weise reagiert wird. Bei Angst oder Verärgerung erreicht das Erregungsniveau zum Beispiel ein Zenit.
Theorie zum Lügendetektor-Test
Der populäre Psychologe Carl Gustav Jung sowie Max Wertheimer introduzierten die Grundidee zur Anwendung eines Polygraphen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Vittorio Benussi konstruierte im Jahre 1912 einen Apparat zur Aufzeichnung von Atmungsphasen und des menschlichen Pulsschlages. Die erste Testphase erfolgte im Jahre 1935 durch den Herrn Leonard Keeler. Im Prinzip beruhen polygraphische Untersuchungen auf der Vorstellung, dass Menschen beim Lügen eine geringe, durch das vegetative Nervensystem evozierte Nervosität verspüren. Das vegetative Nervensystem reguliert die automatisch ablaufenden Prozesse des Organismus, die nicht der bewussten, direkten Manipulation durch den Menschen unterliegen. Einem erhöhten Erregungsniveau folgt die Veränderung der Atemfrequenz, des Pulses, des Blutdruckes sowie des Hautwiderstandes. Ein weiteres, charakteristisches Merkmal ist das leichte Zittern einer Person.
Das vegetative Nervensystem erzeugt unwillkürliche Reaktionen und das dadurch erhöhte Aktivierungsniveau des Körpers wird durch den Polygraphen registriert. Die Auswertung der Protokollierung erfolgt alleinig durch den Polygraphisten und ist somit von dem Erfahrungsschatz, der fachlichen Kompetenz sowie dem Zufall abhängig, so dass stets eine Unsicherheit bezüglich der Resultate besteht.
Informationen zur Unzuverlässigkeit von Lügendetektor-Tests
Das Bundesgerichtshof evaluierte im Jahre 1998 die Zuverlässigkeit von Polygraphen mit folgenden Worten: „Nach einhelliger wissenschaftlicher Auffassung ist es nicht möglich, eindeutige Zusammenhänge zwischen emotionalen Zuständen eines Menschen und hierfür spezifischen Reaktionsmustern im vegetativen Nervensystem zu erkennen.“ Dieser Aussage schließen sich zahllose Psychologen und Verhaltensforscher an. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist die Polygraphie ein Ammenmärchen!
Der Historiker Ken Adler konstatierte seine kritische Meinung zum Lügendetektor-Test: „Der Lügendetektor kann nicht wissenschaftlich besiegt werden, weil er gar nicht aus der Wissenschaft stammt. Vor ein paar Jahren habe ich es in einem Aufsatz so formuliert: Seine natürliche Umgebung ist nicht der Gerichtssaal oder das Labor, sondern das schlecht beleuchtete Verhörzimmer im Polizeipräsidium. So lange Polizisten das Gerät nützlich finden, wird es ihn geben!.“
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wurde der Lügendetektor-Test in erster Linie zur Ermittlung der Wahrheit und in zweiter Linie zur Vermeidung von polizeilicher Gewalt bei Verhören eingesetzt. Rapide fand diese Technologie weite Zustimmung in der Population und drang kontinuierlich in gesellschaftliche Bereiche vor. Der Polygraph genoss bei Bewerbungsgesprächen eine große Präferenz und wurde ebenso in der Ermittlung von politischen Dissidenten während des Kalten Krieges verwendet. Schließlich wandten sich die Verfechter der Polygraphie der Zweierbeziehung zu. Ehepartner wurden von Agenturen auf sexuelle und geistige Treue examiniert. In den 1950er Jahren wurden approximativ zwei Millionen Tests allein in den USA durchgeführt. 1988 folgte der Verbot der Ausführung von Tests in privaten Unternehmen. Ausgenommen wurden Behörden aus dem öffentlichen Dienst.
Des Weiteren kann der Ausgang eines Lügendetektor-Test auf indirektem Wege manipuliert werden. Vegetativ wirksame Verfahren stellen Yoga, Zazen, Autogenes Training sowie Taijquan dar, die die physiologischen Erregungsstände nachweislich reduzieren. Die um den Mechanismus des Tests wissende Person kann durch entsprechende Vorbereitungen das Endergebnis trotz Schuld zu seinem Gunsten entscheiden.