Die Debatte um die Verfasserschaft von Shakespeares Werken hat eine Geschichte. Dabei wird daran gezweifelt, dass Shakespeare aus Stratford der Autor war.
Der Mann mit dem Namen William Shakespeare ist sicherlich der berühmteste Dramatiker der Welt. Sehr viele Menschen kennen beispielsweise die Namen oder Inhalte von Romeo and Juliet und Hamlet. Darüber hinaus sind etliche Leute ebenfalls mit Aussprüchen wie „Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage“ aus Hamlet oder „Ein Pferd, ein Pferd, mein Königreich für ein Pferd!“ aus Richard III vertraut. Jedoch wird gerade im populärwissenschaftlichen Bereich die Identität von Shakespeare angezweifelt. So bestreiten einige Kritiker und Verschwörungstheoretiker, dass William Shakespeare aus dem Ort Stratford-upon-Avon tatsächlich all die bekannten Tragödien, Komödien und Historienstücke verfasst hat.
Das Bild von Shakespeare als Naturtalent
Die Ursache für die Zweifel an seiner Autorschaft sind ideologisch motivierte Meinungen und auch Äußerungen einzelner Personen aus der Vergangenheit. Ein gutes Beispiel dafür liefert der frühneuzeitliche englische Dichter und Übersetzer Leonard Digges (1588-1635) in dem im Jahr 1640 erschienenem Buch Poems: Written by Will. Shake-speare. In seinen kommentierenden Versen dazu wird Shakespeare von Digges als Naturtalent dargestellt, der in seinen Meisterwerken weder griechische oder lateinische Phrasen kopierte noch Ideen übernahm. Wie sich aber herausstellte, ist Digges Darstellung von Shakespeare überhaupt nicht korrekt, denn Shakespeares Stücke sind voll von Übersetzungen klassisch lateinischer Phrasen und enthalten Textpassagen sowie Handlungsmuster von anderen Autoren.
Das Bild von Shakespeare als ein reines Naturtalent öffnete schließlich die Tür für verschiedene Sichtweisen. Hierbei ist vor allem die britische Tradition ,bardolatry’ im 18. Jahrhundert erwähnenswert. Diese war sehr vom Nationalbewusstsein gefärbt. Bezogen auf Shakespeare hatten die Anhänger dieser Tradition oder Bewegung daher ein Interesse daran, ihn als einen von ausländischen und klassischen Modellen unbeeinflussten Sohn englischen Bodens bzw. als einheimisches Genie vom Lande zu präsentieren. Ähnlich verhält es sich mit den Romantikern des 19. Jahrhunderts. Sie waren Verehrer der durch die Natur inspirierten Vorstellungskraft sowie des sich den herkömmlichen Konventionen widersetzenden Individuum. Folglich erkannten sie in dem angeblich im klassischen Sinne uninstruierten Naturtalent Shakespeare aus dem ländlichen Stratford-upon-Avon solche Züge und verehrten seine Werke mit einer fast quasi-religiösen Haltung.
Shakespeares Werke: Von Verehrung, Fälschung und Zweifel
Allgemein entwickelte sich im Verlauf des 18. Jahrhundert in England ein Personenkult um Shakespeare. Die Folge der großen Verehrung für Shakespeares Werke sowie das Nichtvorhandensein von originalen Manuskripten und genauen biographischen Fakten war, dass ein Verlangen nach solchen Dokumenten und für Informationen über seine Person in England aufkam. Aufgrund der aufkommenden Konsumgesellschaft wurde Shakespeare zusätzlich zur Ware gemacht. All das bildete natürlich den Nährboden für Fälscher. Dementsprechend waren viele Fälschungen von Originalmanuskripten und angebliche autobiographische Dokumente durch sich nach viel Geld und Ruhm sehnenden Leuten im Umlauf. Ferner wurde Shakespeare mit dem Aufkommen der modernen Gesellschaft speziell als Autor gesehen. Man koppelte ihn zunehmend von der Gestalt des Dramatikers bzw. der Theaterwelt ab.
Faktoren für die Entstehung der Verfasserschaftsfrage waren sicherlich die große Faszination in Bezug auf Shakespeares Werke, die zahlreichen Lücken in der Biografie von dem Mann aus Stratford-upon-Avon und die Konstruktion von ihm als im klassischen Sinn „ungeschulten“ Naturtalent vom Lande. Insbesondere der letzte Punkt war in diesem Zusammenhang entscheidend. Gelehrte entdeckten nämlich nicht nur in ein paar Texten Spuren, die auf Kollaborationsarbeiten mit anderen Schreibern hindeuten, sondern fanden in allen Werken generell eine große Zahl an aus einheimischen, fremden sowie klassischen Quellen übernommener Passagen und Themen. Deshalb konnte das Bild vom reinen oder unbeeinflussten Naturtalent nicht aufrechterhalten werden. Weil biographische Informationen über ihn weiterhin spärlich waren und der Mann aus dem ländlichen Stratford-upon-Avon als Autor der literarischen Meisterwerke für einige Kritiker nicht in Frage kam, zog man außerdem die traditionelle Sicht auf die Autorschaft in Zweifel. Das begann ab dem 19. Jahrhundert.
Anti-Stratfordians vs. Stratfordians
Die Kritiker sind nicht davon überzeugt, dass der im ländlichen Gebiet aufgewachsene William Shakespeare die nötige Bildung besaß, um die Theaterstücke und Gedichte zu schreiben. Laut diesen Skeptikern fehlte ihm auch der Einblick in das in den Werken häufig dargestellte Leben am Königshof. Der wahre Autor musste demzufolge ein hoch gebildeter Adeliger oder zumindest ein sehr belesener Zeitgenosse sein. Der Shakespeare aus Stratford ist hingegen als ein ungebildeter und dem Schreiben unkundiger Mann vom Lande dargestellt worden. Darum werden in der Autorschaftsfrage die Zweifler ‚Anti-Stratfordians’ genannt. Ihre Kandidaten für die Verfasserschaft reichen von dem berühmten Renaissancephilosophen Francis Bacon bis zu dem Dramatiker, Poeten sowie Übersetzer Christopher Marlowe. Dazu sind weitere wilde Verschwörungstheorien entstanden. Neben dem Hofmann und Politiker Henry Neville ist selbst Königen Elizabeth I. (!) zur Verfasserin erklärt worden. Der aussichtsreichste Kandidat vieler Anti-Stratfordians ist der 17th Earl of Oxford Edward de Vere.
Der 17th Earl of Oxford oder der wahre Autor der Werke hat zahlreichen Anti-Stratfordians zufolge das Pseudonym William Shakespeare benutzt bzw. eine andere Identität angenommen, da er am königlichen Hof nicht in Ungnade fallen und sich dort nicht lächerlich machen wollte. Das Publizieren von Gedichten sowie Dramen verstieß angeblich nämlich gegen den höfischen Kodex. Von den meisten (seriösen) Akademikern auf diesem Gebiet werden aber die Theorien der Anti-Stratfordians abgelehnt. Sie glauben an die Autorschaft von Shakespeare aus Stratford und werden deswegen als ‚Stratfordians’ bezeichnet.
Obwohl es keine Dokumente über ihre Besucher mehr gibt, existiert in Stratford-upon-Avon eine Schule. Der Vater von Shakespeare war auch Mitglied des Dorfrates. Aus diesem Grund wurde ihm das Recht eingeräumt seine Kinder zur Schule zu schicken, welches er höchstwahrscheinlich nicht ausgeschlagen hat. Daneben konnte sich der am Anfang reisende Schauspieler William Shakespeare aus Sicht der Stratfordians mit vielen anderen Dingen vertraut machen. Das Besondere an Shakespeare ist jedoch laut ihnen seine unglaubliche Vorstellungskraft. Obendrein waren die vermeintlich aussichtsreichen anderen Kandidaten entweder schon tot, bevor der Autor von Shakespeares Werken nach der üblichen Datierung seine letzten Stücke (1605-1614) geschrieben hat (Marlowe starb 1593 und Edward de Vere im Jahre 1604) oder hatten nicht die nötigen Kenntnisse zum Verfassen der Dramen (z.B. Francis Bacon). Wegen des Mangels an klaren Dokumenten und Informationen wird man die Frage nach der Autorschaft aber anscheinend nicht hundertprozentig lösen können.